Digitale Transformation, vernetzte Produktion, Industrie 4.0: diese Begriffe sind in aller Munde, wenn es um die Lehren der Corona-Krise im Maschinenbau geht. So hat eine Umfrage von Ernst & Young (EY) im März ergeben, dass die Krise ohne Umschweife Schwachstellen in den Lieferketten aufgedeckt hat. Die Folge: Maschinenbau-Unternehmen haben die digitale Transformation nun noch weiter nach oben priorisiert.
Grundsätzlich hat die Digitalisierung im Maschinenbau zwei Ansatzpunkte, die es zu betrachten gilt: auf Herstellerseite die bereitgestellte Technologie, auf Anwenderseite deren Nutzung im betrieblichen Alltag. Hier erfahren Sie, was sich hinter dem Begriff Industrie 4.0 verbirgt, was die zentralen technologischen Aspekte der Digitalisierung im Maschinenbau sind und welche Stellschrauben für Ihr Unternehmen auf dem Weg der digitalen Transformation erfolgsrelevant sind.
Industrie 4.0 im Maschinenbau: eine Definition
Die zentrale Technologie der Industrie 4.0 ist das Internet. In der modernen Produktion sind Mensch, Maschine und verschiedene Prozesse durch Informations- und Kommunikationstechnologie intelligent miteinander vernetzt.
Die beiden wichtigsten Komponenten in der Industrie 4.0 sind die Vernetzung und Selbststeuerung. Vernetzte Systeme ermöglichen einen Daten- und Informationsaustausch und damit eine intelligente Interaktion. In der digitalen Zukunft werden Maschinen und Werkstücke außerdem mit Sensoren bestückt, sodass diese sich selbst steuern und mit weiteren Systemen wie zum Beispiel dem Vertrieb und den Lieferanten vernetzt sind.
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Die angestrebte, vollständig vernetzte Produktion ist ein so umfassendes Projekt, dass Unternehmen dieses nur in Teilschritten realisieren können. Einerseits wegen der technischen Komplexität, andererseits wegen der damit verbundenen Ausfall- und Fehlerrisiken.
Die universelle Schnittstelle: Treiber der Digitalisierung im Maschinenbau
Damit eine umfassende Vernetzung im Sinne von Industrie 4.0 gelingt, muss der Datenaustausch entlang der gesamten Prozesskette hinweg reibungslos funktionieren. Dies ist ohne Schnittstellen nicht möglich.
Die Brancheninitiative Konnektivität für Industrie 4.0 des VDW (Verein deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) entwickelt seit dem Jahr 2017 eine offenen Schnittstelle (Umati), die die standardisierte Kommunikation zwischen Informationssystemen und Maschinen ermöglicht. Durch eine universelle Schnittstelle kann die reibungslose Vernetzung zwischen Maschinen verschiedener Hersteller realisiert werden und auf diese Weise maximalen Anwendernutzen generieren.
Manufacturing und Verwaltung: Die Gewinner der universellen Schnittstelle
Der erste Nutznießer einer universellen Schnittstelle ist der Fertigungsbereich beziehungsweise Manufacturing-Verbund. Damit ist zunächst die Werkstatt, dann die gesamte Fabrik, im Weiteren die Anbindung der Vorstufe, danach die von Weiterverarbeitung sowie die Anbindung der Veredlung, die gegebenenfalls an einem externen, räumlich und operativ getrennten Ort stattfindet, gemeint.
Ein weiterer Aspekt im digitalen Maschinenbau ist die vollautomatische Qualitätssicherung im Maschinenbetrieb mit Closed-Loop-Regelkreisen (Closed-Loops sind sich selbststeuernde beziehungsweise -korrigierende Systeme). Diese setzt nicht nur digitale CNC-Steuerung und Leitstandbedienung voraus, sondern Sensortechnik, Monitortechnik und Hochleistungsvernetzung innerhalb der Maschine.
Bildschirme und Anzeigeinstrumente, welche die Messungen der Sensoren grafisch darstellen, informieren den Maschinenführer in Echtzeit und ermöglichen ihm bei Unter- oder Überschreitung von Grenzwerten den zielgerichteten Eingriff. Dieser Eingriff kann nun mit Hilfe einer Closed-Loop-Regelung von der Maschinenanlage vollautomatisch übernommen werden. Hierzu wird die Hinterlegung eines Kriterienkatalogs benötigt, der Qualitätskriterien und Sollwerte benennt, ihnen Prioritäten und Grenzwerte zuordnet sowie Algorithmen zur maschinentechnischen Erreichung der Sollwerte. Die Messwerte der Sensortechnik werden also während der Produktion in Echtzeit stück- oder stichprobenweise mit den Sollwerten des Katalogs abgeglichen. Sobald die Istwerte den vorgegebenen Grenzwerte-Korridor überschreiten, regelt die Maschine automatisch nach.
Weiterhin profitiert die CAD/CAM-Technologie (CAD = Computer Aided Design/computergestütztes Konstruieren; CAM = Computer Aided Manufacturing/computergestützes Produzieren) von der universellen Schnittstelle. CAD/CAM wird im Bereich von Werkzeugmaschinen, in der Metallverarbeitung, im Verpackungsbereich oder im 3D-Druck eingesetzt. Heute konstruieren Entwicklungsingenieure mit Hilfe von CAD-Systemen neue Bauteile für neue Maschinen am Bildschirm. Dabei müssen die Bauteile nicht neu erfunden werden. Oft genügt es, ein bereits vorhandenes ähnliches Teil aus dem Datenspeicher aufzurufen und dieses in die gewünschte Richtung abzuändern. Das spart Zeit.
Der im CAD-Verfahren erstellte Entwurf wird dann als Datensatz mittels CAM-Technologie an die Produktionsmaschine geleitet, die den Rüstvorgang halb- oder vollautomatisch selbst vornimmt. Der Bedienereingriff wird dadurch minimiert. Allerdings nur dann, wenn die Schnittstelle „universell“ ist und alle Datenformate unterstützt.
Der vierte Profiteur einer universellen Schnittstelle ist der Verwaltungsbereich eines Anwenderbetriebs, also die Anbindung von ERP-Systemen (Ressourcen-Planungs-Systeme). Ihr Standort ist die Verwaltung – dort, wo die Abteilungen Verkauf, Disposition oder Arbeitsvorbereitung sitzen. Hier fließen Kunden- und Auftragsdaten zusammen, die für die Geschäftsprozesse, aber auch für die Produktions- und Maschinensteuerung nutzbar sind. Der Mitarbeiter im Verkauf akquiriert die Aufträge und generiert Kundendaten sowie kaufmännische und technische Auftragsdaten. Die technischen Auftragsdaten werden vom Disponenten oder Arbeitsvorbereiter zur Erstellung der Auftragstasche (File) verwendet – der innerbetriebliche Auftragsverrichtungsplan. Dieser Plan ist bindend für die Produktion und somit für den Maschinenführer und den Abteilungsleiter.
Während die Tasche früher durch den Betrieb kreiste, wird der File heutzutage direkt auf den Leitstandrechner der Maschine geschickt und parallel dazu auf den Zentralrechner des Produktionsleiters. Der Maschinenführer übernimmt den File und damit die Kundendaten und die technischen Auftragsdaten in seinen Bestand. Damit liegen die Voraussetzungen vor, dass sich die Maschine weitgehend selbständig rüstet, in Gang setzt, nach Jobende abschaltet und den File mit dem OK-Vermerk zurück an das ERP-System sendet.
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Digitale Transformation im Maschinenbau: Die Erfolgsfaktoren für Ihr Unternehmen
Auf Herstellerseite ist die Digitalisierung im Maschinenbau bereits auf einem hohen Niveau angekommen. Die größte Herausforderung besteht ihrerseits darin, einen störungsfreien Betrieb bei den Anwendern zu ermöglichen.
Wie sieht es dagegen auf der Anwenderseite aus? Hier sind folgende Aspekte zu betrachten:
- Führung und Intellektualität,
- Investition,
- Personalqualifikation,
- Geschäftspartner.
Entscheidend und zugleich kritisch im Anwenderbetrieb ist die Führungsqualität, womit im Bereich der IT zunächst eine intellektuelle Führung gemeint ist. Dazu zählen das grundsätzliche Beherrschen der Materie auf Top-Level, erst dann die operative Führung.
In der Digitalisierung ist außerdem das Kostengefüge des Unternehmens im internationalen Vergleich ausschlaggebend. Hieraus sind Unternehmensziele abzuleiten, die im Weiteren den Grad der betrieblichen Rationalisierung bestimmen. Für letztere ist die Digitalisierung in Verwaltung und Maschinenbau ein großer Hebel. Erst wenn hier eine konzeptionelle Plattform gefunden ist, geht es an die Umsetzung in konkrete Investitionsprojekte. Auf Grund ihrer gewaltigen finanziellen und kulturellen Anforderungen müssen diese über eine Zeitstrecke ausgelegt und immer wieder evaluiert werden. Zur Debatte stehen beispielsweise Investitionen in dialogfähige Systeme, Hochleistungsnetzwerke und universelle Schnittstellen.
Der dritte wichtige Bereich im Kontext der Digitalisierung im Maschinenbau und Anlagenbau ist die Investition in geeignetes Personal. Dies gilt nicht nur für den Zentralbereich IT, sondern überall dort, wo Datenmanagement stattfindet: zum Beispiel in der Wertschöpfungskette und in der Verwaltung des Unternehmens. Datenmanagement am Einzelarbeitsplatz bedeutet nicht nur eine intellektuelle Anforderung, sondern erfordert darüber hinaus eine Arbeitsdisziplin in der Stringenz der vorgegebenen Arbeitsprogramme. Die Digitalisierung in der betrieblichen Anwendung erfordert ein Gegenstück – und das ist die Standardisierung. Es gilt Sondersituationen und Individualisierungen möglichst akribisch zu vermeiden. Die Herausforderung an dieser Stelle ist: die Standardisierung muss zugleich einen maximal großen Kundentrichter erzeugen und darf ihn nicht schmälern.
Ein weiterer, vierter Aspekt ist die Wahl der Geschäftspartner, der Kunden, der Lieferanten und der Hersteller von Maschinen und Anlagen. Sie alle sind im Konzept Industrie 4.0 eingebunden und auch an sie werden höchste Anforderungen geknüpft, die der Anwenderbetrieb zu managen hat. Auch die Partner müssen mit dialogfähigen, vernetzten Systemen bestückt sein, IT-affines Personal beschäftigen und sich generell dem Fortschrittstempo im Sektor Industrie 4.0 anpassen.
Fazit: Maximaler betrieblicher Nutzen im Fokus der Digitalisierung im Maschinenbau
Die Digitalisierung im Maschinenbau auf Hersteller- und Technologieseite hat durch die Corona-Krise stark an Beachtung gewonnen. Die Herausforderung liegt vor allem in der lückenlosen Funktionstüchtigkeit, was im Zeitalter von Cyberkriminalität ein hoher Anspruch ist.
Auf Anwenderseite sind die Anforderungen auf dem Weg in Richtung Industrie 4.0 andere: es Bedarf der intellektuellen Führung, der Ausbildung IT-affiner Mitarbeiter und der Steuerung der Geschäftspartner über die gesamte Länge der Wertschöpfungskette.
Auf dem Weg in die digitale Zukunft gilt es für Maschinenbauunternehmen eine zentrale Aufgabe zu bewerkstelligen: Wie können einerseits die bereitgestellten Technologien und auf der anderen Seite deren Anwendung im betrieblichen Alltag so kongruent gehalten werden, dass am Ende maximaler betrieblicher Nutzen entsteht.
Die digitale Transformation ist fundamental. Sie ist nicht eine Frage der Technologie, sondern eine des Mindsets: Unternehmen müssen sich hin zu einer Kundenzentrierung wandeln, wobei das Kundenerlebnis am Anfang der Wertschöpfung steht – nicht am Ende. Auch in der Fertigungsindustrie gilt, dass nicht das Produkt oder die Leistung ausschlaggebend für den Erfolg ist, sondern die Customer Experience. Mehr erfahren Sie in unserem E-Book „Customer Centricity“: