Gerhard Hellmeister ist Management- und Organisationsberater sowie als Weiterbildungsexperte spezialisiert auf agile Führung und Customer Experience Design. Der Diplom- Psychologe ist Managing Director der Design-Thinking-Academy InnoWorks und hat bereits mehr als 200 Unternehmen beraten, die auf Kundenerlebnis und Stärkung ihrer Innovationskultur setzen.
In seinem Buch „The Innovator’s Dilemma“ hat sich der Harvard-Ökonom Clayton Christensen mit der Frage auseinandergesetzt, warum etablierte Unternehmen scheitern. Sein Ergebnis: Um im globalen Wettbewerb zu bestehen, bedarf es im Zeitalter der disruptiven Innovationen mehr als einer gewissenhaften Konkurrenzbeobachtung, solidem Marketing und ordentlichen Entwicklungsetats. Denn viele namhafte Marken haben ihre sicher geglaubte Führungsposition verloren, da sie auf bahnbrechende Veränderungen wie neue Technologien oder Geschäftsmodelle keine Antwort hatten. Den Ausweg aus dieser Bedrohung bietet der Abschied von etablierten Denkmustern und Prozessen. Unternehmen brauchen eine neue Kultur und neue Methoden, um kreativ die komplexen Herausforderungen zu lösen, die vor ihnen liegen. Design Thinking ist hier eine wertvolle Hilfe, denn es ermöglicht ein strukturiertes Vorgehen, mit dem die Entwicklung von Innovationen nicht dem Zufall überlassen bleibt.
Was genau ist Design Thinking?
Hinter dem Begriff verbirgt sich ein Innovationsansatz, der im Grunde ganz simpel ist: Der Kunde mit seinen Bedürfnissen wird konsequent in den Mittelpunkt gestellt. Ausgangspunkt des gesamten Prozesses ist in erster Linie Empathie. Es geht immer darum herauszufinden, was der Kunde oder eine bestimmte Zielgruppe wirklich braucht. Daher ist es notwendig, die Wahrnehmungen, Emotionen und Denkweisen dieser Personen zu verstehen, um die richtigen Fragen stellen und Bedürfnisse erfassen zu können. Von zentraler Bedeutung ist beim Design Thinking außerdem das frühe Entwickeln und Testen von Lösungsideen.
Diese werden möglichst rasch in erste Prototypen umgesetzt und auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft. Die Durchführung kann in Form eines Workshops oder auch in einem Projekt erfolgen. Multifunktionale Teams und ein hierarchieübergreifendes Arbeiten sind dabei wesentliche Erfolgsfaktoren.
Entstanden ist Design Thinking Ende der fünfziger Jahre im kalifornischen Stanford aus einem Programm für Ingenieure und Produktdesigner. Kurz vor der Jahrtausendwende hat sich daraus, auch unter dem Einfluss von IDEO, einer globalen Design- und Innovationsagentur, die heutige Form entwickelt. Der CEO von IDEO, Tim Brown, und David Kelley, Chairman und Professor an der Stanford University, sind neben Roger Martin (ehemaliger Dean der Rotman School of Management, Toronto) maßgebliche Entwickler und Vertreter dieses Ansatzes.
Design Thinking in der Praxis
Wie sich Unternehmen auf Basis von Design Thinking neu ausrichten und eine kundenzentrierte Unternehmenskultur entwickeln können, zeigt eines der ältesten Softwareunter- nehmen der Welt. Denn Intuit – ein Anbieter von Finanz-Software – ist es nicht nur gelungen, neue erfolgreiche Produkte und Services zu entwickeln, sondern auch die Unternehmenskultur nachhaltig zu verändern. Wie so oft war der Ausgangspunkt eine Krise: 2007 war die Erfolgskurve bei Intuit ins Stocken geraten und der damalige Vorstandsvorsitzende Scott Cook erkannte, dass die bisherige Produktentwicklung nicht die gewünschten Ergebnisse brachte. Angeregt durch seine positiven Erfahrungen bei Procter & Gamble wurde die unternehmens- weite Design Thinking Initiative „Design for Delight“ ins Leben gerufen und Per-Kristian Halvorsen als Vizepräsident und Chief Innovation Officer eingestellt. Dessen Credo: „Wer überleben will, muss ständig etwas Neues, Besseres liefern.
Das gilt selbst für Steuer-Software, die auf den ersten Blick dröge erscheint.“ (Brand eins, 2016) Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, wurden zunächst Experten, sogenannte Innovationskatalysten, geschult. Sie hatten die Aufgabe, alle Intuit-Mitarbeiter dabei zu unterstützen, Kundenbedürfnisse zu identifizieren, Prototypen neuer Produkte herzustellen und mehr zu experimentieren. Darauf basierend etablierte sich ein neuer Prozess, bei dem ausgehend von einem bestimmten Kundenproblem innerhalb von vier Wochen ein neues Produkt entwickelt werden konnte. Auf einen „Painstorm“, der Herausforderungen des Kunden identifizieren soll, setzt der „Sol-Jam“ (Solution-Jam) auf, wo neue Ideen entstehen. Diese sind die Basis für den sogenannten „Code-Jam“, wo neue Softwarelösungen in einem Prototyp simuliert und mit Kunden getestet werden.
Wandel beginnt im Kopf
Eine solche Transformation erfordert auch und gerade von den Führungskräften ein Umdenken. Es gilt anzuerkennen, dass nicht nur Manager gute Ideen haben und die Mitarbeiter in eine bestimmte Richtung lenken. Vielmehr ist Innovation ein niemals abgeschlossener Entdeckungsprozess. Die Führungskraft soll nicht am Anfang der Ideenentwicklung eine Abkürzung zum Ergebnis erzwingen. Stattdessen muss sie die Beteiligten auf den Weg bringen sowie der Kreativität Raum und Zeit geben. Gleichzeitig reduziert eine solche Rolle auch den Druck, denn innovative Manager müssen nicht die Zukunft kennen. Sie müssen nur den mentalen und zeitlichen Rahmen schaffen, um den Prozess erfolgreich umzusetzen. Das Schwierigste dabei ist, Unsicherheit nicht nur zuzulassen, sondern sogar zu begrüßen.
Design Thinking kann Unternehmen dabei helfen, dem Wandel die richtige Struktur zu verleihen: indem jeder Mitarbeiter ermutigt wird, eigene kreative Ressourcen zu entdecken, Fehler als Chance zu begreifen und im besten Fall sogar Pflicht in Leidenschaft zu verwandeln (D. & T. Kelly*). Damit ist Design Thinking eine Methode, die nicht „nur“ zu neuen Ideen, sondern zu viel mehr führen kann: zu einem neuen Mindset im Kopf jedes Beteiligten und schließlich einem Kulturwandel einer ganzen Organisation. Das Potenzial, das Unternehmen sich mit der Entscheidung für eine schnellere, flexiblere und offenere Innovationskultur erschließen können, ist fast grenzenlos.
Kasten: Ignite: Digitale Transformation für Kunden
Der Ansatz von Design Thinking charakterisiert auch die Methodik des Innovationsprogramms Ignite von Salesforce. Der rund drei Monate dauernde Prozess zielt darauf ab, Unternehmen dabei zu unterstützen, die Weichen in eine erfolgreiche, digitale Zukunft zu stellen. Ignite entwickelte sich aus dem Selbstverständnis von Salesforce heraus: den Erfolg des Kunden in den Mittelpunkt aller Entscheidungen zu stellen. Interdisziplinäre Teams aus Strategie experten, Forschern und Designspezialisten begeben sich gemeinsam mit dem Kunden auf die Entdeckungsreise, um deren Kunden grundlegend zu verstehen und interne Sichtweisen in Frage zu stellen. Ziel ist es, eine tragfähige Brücke zu schlagen – von den Konzepten in die Realität des Business. Oder: ihr Potenzial in die „Kunst des Machbaren“ zu überführen.
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