Tiffani Bova ist Global Customer Growth and Innovation Evangelist bei Salesforce. Davor war sie zehn Jahre Research Fellow beim Marktforscher Gartner. Sie ist eine gefragte Gesprächspartnerin von US-Wirtschaftsmedien – nicht zuletzt aufgrund ihres Buches Growth IQ.
Frau Bova, als Global Customer Growth and Innovation Evangelist bei Salesforce helfen Sie Unternehmen, Wege zu finden, um zu wachsen. Einer der Gründe, warum Unternehmen Sie brauchen, ist, dass – wie Sie es formulieren – Wachstum immer schwieriger wird. Warum ist das so?
Es gibt eine Reihe von Gründen. Der erste ist, dass sich die Wettbewerbslandschaft verändert. Es gibt viele neue Wettbewerber: Unternehmen aus anderen Regionen treten in die gleichen Märkte ein, Unternehmen begeben sich in Felder, die eng mit ihrem Geschäft verbunden sind, und es entstehen neue Marktteilnehmer, die sehr, sehr disruptiv sein können. Der zweite Punkt ist, dass Kunden weitaus mehr Einfluss und Wissen haben, als sie in der Vergangenheit je hatten. Der Kunde ist viel disruptiver als die Technologie selbst.
Ist Wachstum wirklich etwas, das jedes Unternehmen anstrebt?
Meistens, aber es geht um verschiedene Arten von Wachstum. Warum? Nicht jede Art von Wachstum ist gut. Es ist wichtig, dass jedes Unternehmen für sich definiert, was Wachstum bedeutet. Nicht jede Firma möchte Hyper-Wachstum haben, wie etwa ein zweistelliges Wachstum von Quartal zu Quartal. Manche wollen nicht so schnell wachsen, dass die Mitarbeiter, die Infrastruktur und die Kapazitäten unter Druck geraten. Zu viel Wachstum würde ihnen schaden. Andere Unternehmen wollen kontinuierlich wachsen, mit einem leichten Anstieg von Jahr zu Jahr. Und dann gibt es Unternehmen, die sich mit den aktuellen Wachstumsraten sehr wohl fühlen. Es gibt hier keine allgemeingültige Antwort.
In früheren Interviews haben Sie gesagt, dass Wachstum ein Denksport ist. Wie muss sich das Management darauf einstellen?
Ich kann Ihnen sagen, dass es drei Sätze gibt, die das Management vergessen sollte: Erstens, „Das machen wir hier so nicht“. Zweitens, „Das haben wir schon versucht, das funktioniert nicht“. Drittens, „Das werden wir nie tun“. Das ist die Haltung, in der ich Unternehmen immer wieder stecken bleiben sehe, weil sie nicht bereit sind, neue Denkansätze zu verfolgen, wie sie mit Wachstum umgehen. Sie sind darin gefangen, wie es früher war, in der Vergangenheit – ohne die Fähigkeit, über Wachstum anders denken zu können.
Unternehmen und Management können auch darin gefangen sein, sich auf die falschen Dinge zu fokussieren, wie Quartalsergebnisse oder Strategien, die in der Vergangenheit funktioniert haben. Gibt es eine bewährte Methode, um aus diesem Hamsterrad zu kommen?
Also, das ist jetzt sehr schwarz-weiß skizziert: Wenn Sie ein börsennotiertes Unternehmen sind, treiben leider die Quartalsergebnisse wirklich das Verhalten. Manchmal ist das nicht das Beste für Unternehmen, denn sie verfolgen kurzfristige Ergebnisse auf Kosten einer soliden, langfristigen Strategie. Für private Unternehmen ist es wirklich eine große Chance, dass sie nicht an Quartalsergebnissen gemessen werden und tatsächlich in der Lage sind, neue Dinge auszuprobieren und ein wenig Risiko einzugehen. Sie können sogar entscheiden, für eine Weile weniger Umsatz anzustreben, während sie ihr Business umbauen.
Was sollten börsennotierte Unternehmen tun? Wie können sie ihre Aktionäre auf der Reise zu einem anderen Wachstumskurs mit ins Boot holen?
Die CEOs müssen die Geschichtenerzähler der Reise sein. Als Führungskraft müssen Sie sicherstellen, dass jeder im Unternehmen versteht, was Sie tun und warum. Zudem müssen alle verstehen, was sie selber tun und wie das die Unternehmensziele unterstützt. Und die CEOs haben die Aufgabe, der Öffentlichkeit und den Stakeholdern zu vermitteln, was sie tun. Sie müssen allen Beteiligten eine überzeugende Geschichte erzählen, nicht nur den finanziell Beteiligten.
In Ihrem Buch Growth IQ beschreiben Sie zehn Wege zum Wachstum. Ich möchte mich auf zwei konzentrieren: Partnerschaften und Co-opetition. Wie sieht eine erfolgreiche Partnerschaft heute aus?
Ich denke, die Automobilindustrie in Europa ist ein gutes Beispiel für Partnerschaft und Co-opetition, also Kooperation zwischen Wettbewerbern. Autofirmen arbeiten in technischen Aspekten 27 zusammen wie der Entwicklung von Systemen für autonome und vernetzte Autos oder im Bereich Carsharing. Sie versuchen nicht, alles alleine zu machen, sondern werden Partner, um die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen.
Ist es für Unternehmen einfacher, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der vorher kein Konkurrent war?
Nun, bei traditionellen Konkurrenten könnten Unternehmen denken: Warum sollte ich das jemals tun? Sie könnten uns Kunden wegnehmen. Wenn wir es selbst tun würden, hätten wir viel mehr Kontrolle und Selbstbestimmung bei unserer Zukunft. Diese Haltung mag in der Vergangenheit funktioniert haben, aber es wird immer schwieriger, alles im eigenen Haus zu erledigen, insbesondere mit Blick auf das hohe Innovationstempo und die steigenden Kundenanforderungen.
Wann zeigt die Co-opetition die größten Vorteile?
Dann, wenn Sie mit jemandem zusammenarbeiten, bei dem Sie sich nie vorgestellt hätten, das zu tun. Es kann um die Teilung von geistigem Eigentum gehen oder das Teilen von Kundendaten. Wie die Vereinbarung auch aussehen mag, es geht um zwei Marken, die zusammenarbeiten, um Mehrwert für die ganze Branche oder den gemeinsamen Kundenstamm zu schaffen.
Bildquelle: Portfolio-Penguin