Die absoluten Höhepunkte seines Berufs sind für Sirko Geist, wenn sich ein Stammzellspender und sein Empfänger das erste Mal persönlich treffen und er dabei sein darf: „Die Tatsache, dass dieser Mensch dem anderen völlig uneigennützig das Leben gerettet hat, macht diese Begegnungen zu einem unvergleichlich emotionalen Erlebnis.“ Sirko Geist ist Geschäftsführer der DKMS, verantwortlich für die Bereiche Verwaltung, Finanzen, Organisation, IT und Human Capital. „Diese Momente sind Ausdruck tiefer Dankbarkeit und grenzenloser Verbundenheit. Jedes Mal, wenn es gelingt, diese zweite Chance auf Leben zu verwirklichen, ist das auf’s Neue der größte Erfolg unserer gemeinnützigen Organisation.“ Die unermüdliche Arbeit der DKMS hat in den vergangenen 26 Jahren bereits mehr als 61.000 Menschen diese zweite Chance ermöglicht.
Die Geschichte der DKMS beginnt 1991 mit dem tragischen Krebstod von Mechtild Harf, der Ehefrau des Gründers Dr. Peter Harf. Auf dem Sterbebett versprach er ihr, sich dafür einzusetzen, dass für jeden Blutkrebspatienten ein passender Stammzellspender gefunden wird. Zu diesem Zeitpunkt waren bundesweit gerade einmal 3.000 potenzielle Spender registriert. Gemeinsam mit Prof. Dr. Ehninger, dem behandelnden Arzt seiner verstorbenen Gattin, rief Dr. Harf die DKMS ins Leben. „Am Anfang arbeiteten sie mit einem Telefon und Telefax im Nebenraum einer Arztpraxis“, erzählt Geist. „Als die Gründung der Organisation dann publik wurde, ging geradezu ein Ruck durch das Land. Die Aussicht, mit einer einfachen Blutprobe zum potenziellen Lebensretter zu werden, hat viele Menschen motiviert, sich zu engagieren. Sie standen teilweise stundenlang vor Turnhallen an, in denen die Proben zur Registrierung entnommen wurden, geeint durch die Bereitschaft, die vielen schrecklichen Schicksale von Blutkrebspatienten zu lindern.“ Der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Nur ein Jahr später war die Zahl der registrierten Spender auf 68.000 angewachsen und bereits 1995 war die DKMS-Spenderdatei die weltweit größte Organisation dieser Art. Heute umfasst sie weltweit über elf Millionen potenzielle Stammzellspender; rund 35 Prozent aller Stammzellspenden weltweit werden über die DKMS vermittelt.
Wachstum durch Technologie
In den Anfängen bestanden die Spenderregister aus Verzeichnissen in Telefonbuchdicke, die gedruckt und verteilt werden mussten. Ein großes Manko war dabei, dass die neuesten Spender den Sucheinheiten nur verfügbar gemacht werden konnten, wenn sie auch eine aktualisierte Version des Buches bekamen. Mit dem technischen Fortschritt hielt jedoch bald die elektronische Datenerfassung Einzug, es entstanden nationale elektronische Register für die Spendersuche. „Daten und deren Qualität haben immer unseren Erfolg bestimmt“, so Geist. „Deshalb haben wir stets zu den Vorreitern in der Datenoptimierung und im intelligenten Umgang mit Daten gehört.“ Und das bezieht sich nicht allein auf Spenderdaten, sondern auch auf die sogenannten HLA-Merkmale (HLA – Humanes Leukozytenantigen), denn die Übereinstimmung dieser Gewebemerkmale zwischen Spender und Empfänger ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Spendervermittlung. Und genau hier liegt eine weitere große Herausforderung, der sich die DKMS seit Jahren annimmt. Die DKMS ist durch ihre vielfältigen Aktivitäten mit dem Ziel bekannt, immer mehr Spender zu gewinnen. Doch wie umfassend und schlagkräftig sie den Blutkrebs inzwischen an verschiedenen Fronten bekämpft – darüber weiß die breite Öffentlichkeit vergleichsweise wenig.
Eva, 26, Stuttgart, Stammzellempfängerin
Ich erhielt meine erste Blutkrebs-Diagnose im Sommer 2014. Kaum ein Jahr später kam der Rückfall, der mich und meine Familie erneut in einen Schockzustand versetzt hat. Es hat sich herausgestellt, dass nur noch eine Stammzellspende mein Leben retten kann. Ich werde niemals den Moment vergessen, als mein behandelnder Arzt an mein Bett trat und mir eröffnete, dass tatsächlich mein genetischer Zwilling gefunden wurde. So wurde mir ein zweites Leben geschenkt. Bald darf ich meine Spenderin kennenlernen, ich freue mich sehr darauf, sie endlich in die Arme zu schließen. Geschichten wie meine zeigen, dass die Idee der DKMS funktioniert. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass niemand mehr an Blutkrebs sterben muss, weil kein Spender gefunden wird. Die Krankheit kann jeden treffen. Deshalb appelliere ich auch an jeden, sich registrieren zu lassen. Mit geringem Aufwand kann jeder Mensch damit einem anderen das Leben retten. Und genau dafür steht die DKMS.
Als reine Spenderdatei gestartet, wie der ehemalige Name „DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei“ zeigt, arbeiten heute in Deutschland rund 600 Mitarbeiter an fünf Standorten für die DKMS, die sich in verschiedenen Tochtergesellschaften jeweils auf Einzelaspekte der Krebsbekämpfung und Patientenbetreuung spezialisiert hat. Sie bieten beispielsweise Seminare für Patienten, um mit den Folgen einer Krebserkrankung und der Chemotherapie zurecht zu kommen, kooperieren mit Geburtskliniken, um Stammzellen aus Nabelschnurblut mittels Kryo-Konservierung einzulagern und engagieren sich bei Forschung und Entwicklung: So gehört das 1997 gegründete DKMS Life Science Lab GmbH zu den weltweit größten und leistungsfähigsten HLA-Typisierungslaboren. Es isoliert und typisiert das genetische Material aus den Proben der Spender, um die Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger bestimmen zu können. Im Bereich der HLA-Typisierung im Hochdurchsatz haben die Dresdner Entwickler mit dem Einsatz des Next Generation Sequencing (NGS) den neuen Goldstandard gesetzt. Dank der Arbeit des DKMS Life Science Lab ist es gelungen, den Prozess des Matchings zwischen Patient und Spender weiter zu verbessern und mehr Blutproben in kürzerer Zeit präziser und zu geringeren Kosten zu bearbeiten. Mit der Clinical Trials Unit (CTU) treibt die DKMS eigene klinische Studien zur Verbesserung der Resultate einer Stammzelltransplantation voran oder unterstützt andere Forschungsorganisationen in deren Bemühungen gegen den Blutkrebs.
Internationalisierung für mehr Schlagkraft
„Bei all unseren Aktivitäten verfolgen wir ein Ziel: Wir wollen Leben retten“, fasst Geist zusammen. „Immer noch sterben zu viele Menschen an den Folgen einer Blutkrebserkrankung, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche.“ Um künftig noch mehr Patienten helfen zu können, forciert die DKMS seit 2004 auch das internationale Wachstum der Organisation. „In Deutschland ist die Versorgungssituation vergleichsweise gut, rund 85 Prozent der Erkrankten finden einen Spender“, erklärt Geist. „In anderen Ländern sieht die Situation hingegen dramatisch aus.“ Da die Gewebemerkmale von Menschen regional und genetisch unterschiedlich sind, ist ein Spender der eigenen Herkunft oft am aussichtsreichsten. Das liegt an der Vererbung der transplantationsrelevanten Gewebemerkmale sowie der enormen genetischen Vielfalt des HLA-Systems in den einzelnen Bevölkerungsgruppen. Aktuell werden über 75 Prozent der Stammzelltransplantate aus Deutschland in 50 Länder der Welt versandt, während rund 20 Prozent der hiesigen Patienten ein Präparat aus dem Ausland bekommen. Deshalb hilft die DKMS mit eigenen Organisationen in Ländern wie zum Beispiel den USA, UK, Spanien oder Polen und arbeitet in anderen Regionen mit Partnern zusammen. In Indien wird die Kooperation mit Kliniken immer weiter intensiviert. „Zur Zeit unterstützen wir dort vor Ort mit Mitarbeitertrainings und Know-how-Transfer. Mit der Spenderneugewinnung in möglichst vielen Ländern stehen wir vor einer großen Aufgabe. Eine besondere Herausforderung hier ist der Umgang mit den Daten der potenziellen Spender – die Datenmengen zu verarbeiten, ihre Qualität zu sichern sowie zu steigern und sie immer aktuell zur internationalen Suche nach einem geeigneten Stammzellspender zur Verfügung zu stellen“, so Geist. „Für uns als international tätige Organisation ist daher ein einheitliches und leistungsfähiges IT-System für die Verwaltung und Pflege der Daten von Spendern und Partnern unabdingbar.“
Im Kampf gegen Blutkrebs zählt jeder Euro, denn allein die Registrierung eines neuen Spenders kostet derzeit 40 Euro. Jede Geldspende an die DKMS fließt ausschließlich in den Kampf gegen Blutkrebs, die Registrierung sowie Forschung, Wissenschaft und Internationalisierung. Um noch mehr Patienten weltweit helfen zu können, braucht es eine internationale Solidargemeinschaft aus registrierten potenziellen Stammzellenspendern sowie monetäre Spenden an die DKMS.
Diese Story und weitere Beiträge rund um Salesforce-Kunden finden Sie in der vierten Ausgabe des Nah-Magazins. Alle PDFs kostenfrei im Nah-Archiv.