Fehlproduktion, also die Herstellung qualitativ unzureichender oder gar fehlerhafter Erzeugnisse, versucht jedes Maschinenbauunternehmen unter allen Umständen zu vermeiden. Nun wissen Sie aus Erfahrung, dass solche Produktionsfehler nicht gleichmäßig über die gesamte Produktpalette verteilt sind, sondern dass bestimmte Produktlinien typischerweise fehleranfälliger sind als andere. Wenn Sie es durch Prozess- und Produktoptimierung nicht schaffen, dem Problem Herr zu werden, dann nehmen Sie normalerweise die fehleranfälligen Produktlinien aus dem Programm.
Um beurteilen zu können, welche der Produktlinien besonders fehleranfällig sind, überwachen und kontrollieren Sie die Qualität der hergestellten Erzeugnisse laufend. Wie sieht es aber in Ihrem Vertrieb aus? Stimmt die Qualität Ihrer Kunden und Geschäftsbeziehungen auch? Wird diese Qualität auch permanent von Ihnen bewertet und kontrolliert, betreiben Sie also systematische B2B-Kundenanalyse?
Denn „schlechte“ Kunden können ebenso wie fehleranfällige Produkte unrentabel sein. Auch sie bringen wenig Umsatz und verursachen viele Zusatzkosten. Also liegt es nahe, dass Sie sich überlegen, wie Sie die Prinzipien und Strategien zur Optimierung Ihrer Produktstruktur auf die „Produktion“ einer optimalen Kundenstruktur übertragen können.
B2B-Kundenanalyse in Maschinenbau-Unternehmen: die „guten“ Kunden identifizieren
Eine optimale Kundenstruktur zum Ziel zu haben, bedeutet natürlich in erster Linie, dass Sie mehrheitlich „gute“ Kunden haben sollten. „Gut“ bedeutet dabei, dass der Kunde dazu beiträgt, den Erfolg Ihres Unternehmens zu steigern. Vielleicht denken Sie da zunächst an finanziellen Erfolg: Über den gesamten Kundenlebenszyklus hinweg sollen die Erlöse, die durch den Kunden generiert werden, höher als die Kosten sein, die er verursacht. Es muss aber nicht nur der finanzielle Erfolg sein, der hier zählt: Ihr Kunde ist vielleicht Meinungsführer im Markt und kann das Kaufverhalten Ihrer guten Kunden beeinflussen oder sorgt regelmäßig für Empfehlungen innerhalb Ihrer Zielgruppe und damit für Neukunden.
Darüber hinaus kann es verschiedene Gründe geben, warum Sie selbst weniger gute Kunden dennoch weiter gut bedienen sollten. Solche Gründe können beispielsweise sein:
- Ihr Kunde ist im Moment noch nicht lukrativ – aber er hat Entwicklungspotenzial.
- Ihr Kunde kooperiert mit einem Ihrer anderen, profitablen Kunden, welcher nur Geschäftsbeziehungen mit Ihnen hat, weil sie auch dieser „schlechte“ Kunde hat.
- Ihr Kunde kauft antizyklisch und sorgt so für eine gleichmäßigere Kapazitätsauslastung.
Aber welcher Kunde soll nun mit allen Mitteln gehalten werden und mit welchen sollten Sie die Geschäftsbeziehung möglicherweise nicht fortführen?
Was sind „gute“ Kunden?
Zur Beurteilung, wie profitabel ein Kunde ist, ziehen Sie in der Kundenanalyse seinen Kundenwert heran, ein Zahlenwert, der die Bedeutung des Kunden für Ihr Unternehmen ausdrückt.
Grundlage ist eine Liste von Kundeneigenschaften (Kunden-Gütekriterien), die ein Unternehmen für wichtig ansieht. Im Maschinenbau häufig verwendete Gütekriterien sind beispielsweise:
- Das durchschnittliche Auftragsvolumen pro Jahr: ein hohes jährliches Auftragsvolumen bringt hohe Erlöse.
- Die Größe der einzelnen Aufträge: hohe Auftragsvolumina senken die Verwaltungskosten pro Auftrag.
- Losgrößen: hohe Losgrößen senken die Fertigungs-Stückkosten und senken die Durchlaufzeit.
- Die durchschnittliche Anzahl der Reklamationen pro Jahr: Wenig Reklamationen verursachen wenig Regulierungsaufwand.
- Sitz des Kundenunternehmens: Nahegelegene Kunden senken die Transportkosten und machen eine Just-in-Time-Belieferung sicherer.
- Empfehlungsbereitschaft: Empfehlungsbereite Kunden sorgen für Neugeschäft.
- Geduld des Kunden: Ungeduldige Kunden erhöhen den Druck auf das Personal, den Verschleiß der Betriebsmittel und erfordern teure Überstunden.
Sie ersehen aus diesen wenigen Beispielen, dass es Eigenschaften gibt, die die Berechnung eines Zahlenwertes einfach machen (quantitative Kriterien). Andere dagegen lassen sich nur schwer oder gar nicht in Zahlen oder gar in Euro ausdrücken (qualitative Kriterien).
In der Kundenanalyse dürfen Sie aber nicht den Fehler machen, Eigenschaften nur deshalb als unwichtig zu betrachten, weil sie schwer quantifizierbar sind. Sie finden für jeden Merkmalstyp Schätzmethoden, die auch bei qualitativen Merkmalen die Berechnung eines Kundenwerts erlauben.
Sie sehen aus den Beispielen auch, dass es vergangenheitsbezogene Eigenschaften gibt (Bestandskriterien) und zukunftsbezogene (Potenzialkriterien). Beide Kategorien sollten Sie in der Kundenanalyse berücksichtigen: Vergangenheitswerte sind zwar real, aber sagen möglicherweise für die Zukunft nichts aus; Zukunftswerte sind zwar für die Unternehmenspolitik relevanter, aber sind nur Prognosen. Auch hier stehen Ihnen Rechenmodelle zur Verfügung, die beide Kategorien mit einbeziehen.
Und Sie sehen aus den Beispielen, dass es bei der Kundenanalyse keine Standard-Kriterienkataloge geben kann, sondern dass jedes Unternehmen selbst entscheiden muss, welche Gütekriterien es heran zieht. Vielleicht haben Sie ja nur Stammkunden und sind auf Empfehlungsgeber nicht angewiesen. Vielleicht sind Sie kein Teil einer Just-in-Time-Lieferkette. Um herauszufinden, welche Kriterien für Ihr Unternehmen relevant sind, sollten Sie einen Workshop einrichten; daran sollten die Geschäftsleitung, die F1-Führungsstruktur, die Vertriebsführungsebenen und ausgewählte Außendienstmitarbeiter teilnehmen.
Von der Eigenschaftsliste zum Kundenwert
Bei quantitativen Kriterien kommen Sie in der Kundenanalyse sehr einfach zu einem quantitativen Kundenwert. Sie müssen dabei nur die jeweiligen Skalen vergleichbar machen, die den Kriterien hinterlegt sind und können so beispielsweise die durchschnittlichen Auftragsvolumina mit der Anzahl der Reklamationen in Relation setzen. Dies bedeutet, dass Sie zumindest die Minimal- und Maximalwerte harmonisieren. Idealer wäre eine Standardisierung jeweils auf eine Skala mit Mittelwert 0 und Standardabweichung 1.
Schwieriger wird die Kundenwertberechnung bei qualitativen Kriterien. Aber auch hierfür gibt es in der Kundenanalyse ein Standardverfahren: die Nutzwertanalyse. Sie ist deshalb so interessant, weil sie die Einbeziehung sowohl von quantitativen als auch von qualitativen Eigenschaftsmerkmale in ein einheitliches Berechnungsschema erlaubt.
Dazu wird (z.B. mit MS Excel®) eine Tabelle analog der folgenden Abbildung 1 erstellt; im Beispiel ist K4 laut errechnetem Kundenwert der beste, K3 der schlechteste Kunde:
Jede Zeile enthält eines der ausgewählten Kriterien. Die Spalten enthalten für jedes dieser Kriterien:
- einen für alle Kunden identischer Gewichtungsfaktor, der angibt, ob das jeweilige Kriterium für die Kundenwertberechnung sehr wichtig (10), eher unwichtig (1) ist oder irgendwo dazwischen liegt.
- für jeden Kunden den Erfüllungsgrad, der angibt, ob dieser das Kriterium voll erfüllt (10) oder nicht erfüllt (0). Auch hier sind Zwischenwerte möglich. Bei quantitativen Kriterien wird der Wert durch Skalentransformation berechnet, bei qualitativen Kriterien wird er geschätzt.
- für jeden Kunden den Kundennutzwert, das Produkt aus Kriteriengewichtung und Erfüllungsgrad; ein hoher Nutzwert gibt an, dass dieser Kunde ein wichtiges Kriterium voll erfüllt.
Die Summe der Nutzwerte für einen Kunden über alle Kriterien bildet den Kundenwert. Ein hoher Kundenwert zeigt an, dass dieser Kunde viele wichtige Kriterien in hohem Maße erfüllt.
Gelegentlich unterscheidet man noch Muss- und Kann-Kriterien. Bei Kann-Kriterien verfährt man wie gezeigt. Erfüllt ein Kunde ein Muss-Kriterium nicht, wird sein gesamter Kundenwert auf 0 gesetzt.
Vom Kundenwert zur Kundenbeurteilung
Aus den Kundenwerten aller Ihrer Kunden können Sie jetzt folgendes ablesen:
1. Kundenskala
Wer sind meine „guten“ und wer meine „schlechten“ Kunden? Sie ordnen die Kundenwerte der Größe nach in einer Kundenwertskala – am besten absteigend. Die („vorderen“) Kunden mit hohem Wert sind die profitablen, die mit niedrigem Wert die weniger profitablen Kunden.
2. ABC-Analyse
Wenn Sie Kundengruppen bilden wollen, dann verwenden Sie dazu die ABC-Analyse, eine beliebte Methode der Kundensegmentierung – die Sie vermutlich schon aus der Teilekategorisierung kennen. Sie erstellen neben der Größenwertskala aus 1. eine kumulative Skala: jeder Skalenwert eines Kunden enthält seinen eigenen Kundenwert plus die Summe aller Kundenwerte der „besseren“ Kunden. Sie erhalten eine aufsteigende Skala und eine Kurve (siehe Abbildung 2), die für jeden Kunden seinen Zusatzbeitrag zum globalen Kundenwert darstellt. Sie können nun 3 Kundengruppen bilden: A-Kunden (K1) bringen den höchsten Beitrag zum Globalwert, C-Kunden den niedrigsten (K3), B-Kunden (K1, K2) liegen dazwischen.
3. Kundenportfolio
Wenn Sie das Bestands- und das Zukunftspotenzial Ihrer Kunden unterschiedlich beurteilen, erstellen Sie ein Kundenportfolio. Sie machen 2 separate Nutzwertanalysen – welche die gleichen Kriterien enthalten können: eine berechnet für jeden Kunden seinen Bestandswert, die andere das Zukunftspotenzial. In Abbildung 3 hat K4 – als TOP-Kunde – sowohl Bestands- als auch Zukunftspotenzial. K1 und K2 – vom Gesamtwert her ähnlich – unterscheiden sich dennoch: bei K1 ist zukünftig nicht viel zu erwarten; K2 ist zwar momentan noch schwach, wird aber in der Zukunft besser werden. Die Größe der Blasen repräsentiert jeweils den Gesamt-Kundenwert.
4. Radio-Charts
Wenn Sie Kundenanalyse noch differenzierter betreiben wollen, dann können Sie Radio-Charts einsetzen, wie das Beispiel in Abbildung 4 zeigt. Hier wird jedes Kriterium als separate Dimension betrachtet; das Profil jedes Kunden umschließt eine Fläche, deren Flächeninhalt bei guten Kunden hoch und bei schlechten niedrig ist.
Von der Kundenbeurteilung zur optimalen Kundenstruktur
Wenn Sie in der Kundenanalyse Ihre Kunden in Kategorien eingeteilt haben, dann stellen sich zwei Fragen:
- Wie können Sie die profitbalen Kunden halten (Kundenbindung) oder vielleicht sogar deren Kundenwert noch erhöhen (Kundenwertmanagement)?
- Wie trennen Sie sich von weniger profitablen Kunden (De-Marketing)? Und zwar ohne schädliche Folgen. Wenn das nicht möglich erscheint oder Sie (siehe oben) in anderer Weise auf diese Kunden angewiesen sind: können Sie durch Kundenwertmanagement deren Kundenwert so erhöhen, dass sie auch weiterhin tragbar sind oder möglicherweise sogar zu profitablen Kunden werden?
Das Fazit: Kundenanalyse – es lohnt sich!
Die Vorgehensweisen in der B2B-Kundenanalyse sind sehr ähnlich zur Produktionsprogramm-Optimierung. Genauso wie den Wert Ihrer Erzeugnisse sollten Sie auch den Wert Ihrer Kunden analysieren und verbessern – und das ebenso wie in der Fertigung möglichst permanent und mit hoher Priorität. Dann müssen Sie genau so wie in der Programmplanung aus den Ergebnissen der Kundenanalyse mutig Konsequenzen ziehen und Kunden halten oder sich von ihnen zu trennen.
Bleiben Sie dran – gute Kunden lohnen sich mehr als gute Produkte, denn es sind die Kunden, die Erlöse generieren und nicht die Produkte.
Die digitale Transformation ist fundamental. Sie ist nicht eine Frage der Technologie, sondern eine des Mindsets: Unternehmen müssen sich hin zu einer Kundenzentrierung wandeln, wobei das Kundenerlebnis am Anfang der Wertschöpfung steht – nicht am Ende. Auch in der Fertigungsindustrie gilt, dass nicht das Produkt oder die Leistung ausschlaggebend für den Erfolg ist, sondern die Customer Experience. Mehr erfahren Sie in unserem E-Book „Customer Centricity“: