Es gibt Entwicklungen, die man nicht vorhersehen kann. Und es gibt welche, die sich bereits vor Jahren angekündigt haben. Die klassische Kundenbindung gehört definitiv zur zweiten Sorte. Obwohl viele Marketing-Profis nach wie vor Tipps und Tricks predigen, wie Unternehmen Kunden langfristig binden, ist ein Wechsel im Kundenverhalten festzustellen. Setzen Sie deshalb auf Kundenloyalität! Ein guter und verlässlicher Kundenservice, eine sichere und pünktliche Logistik und ein günstiger Preis werden von Kunden nicht mehr als ein Alleinstellungsmerkmal betrachtet, sondern als Selbstverständlichkeit. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und der dadurch möglichen und einfachen Vergleichbarkeit von Produkten und Preisen müssen sich Unternehmen fragen, wie sie sich als Dienstleister positionieren wollen, um Kunden zu begeistern und gezielt anzusprechen.
Traditionelle Kundenbindung existiert nicht mehr
Sowohl mittelständische Unternehmen als auch stationäre Händler haben mit einer schwindenden Kundentreue zu kämpfen. Sind meine Kunden zufrieden? Empfehlen Sie mich und meine Produkte weiter? Und was denken sie eigentlich über mein Unternehmen? Die Fragen sind bei fast allen Geschäftsführern und Marketing-Verantwortlichen ähnlich. Leider sehen viele Mittelständler ihre Hauptaufgabe darin, Kundenwünsche stumpf zu erledigen und Stammkunden mit Treuepunkten und spontanen Aktionen zu erkaufen. Kundentreue wird dann häufig an Bedingungen gebunden und Wechselabsichten durch Barrieren in den AGBs erschwert. Statt sich auf eine langfristige und vertrauensvolle Kundenbeziehung zu konzentrieren, verfolgen viele KMUs lediglich kurzfristige Absatzziele. Das Resultat: Der Kunde bleibt vielmehr, weil er muss und nicht, weil er will.
Der Wunsch nach einer neuen Kundenbindung ist bei vielen Unternehmern zwar vorhanden, doch die wirtschaftliche Relevanz von Kundenloyalität ist ihnen nicht ganz klar. Denn während Maßnahmen zur Kundenbindung vom Unternehmen selbst ausgehen, geht Loyalität von Kunden aus. Sie können sich das gut anhand eines Zeitstrahls veranschaulichen: Kundenzufriedenheit bezieht sich stets auf Vergangenes. Ob ein Kunde nun zufrieden oder enttäuscht ist, stellt ein Ergebnis dar aus einer vergangenen Erwartungshaltung und der nach dem Kauf entstandenen Wahrnehmung. Kundenloyalität ist hingegen zukunftsgewandt. Sie bewertet sowohl die Wiederkaufsabsicht als auch die Bereitschaft, ein Produkt oder eine erworbene Dienstleistung weiterzuempfehlen.
Loyale Kunden sind Wunschkunden
Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität werden oft in einem Atemzug genannt, obwohl sie von zwei grundsätzlich verschiedenen Ansätzen ausgehen. Während bei der Loyalität freiwillige Treue von den Kunden ausgeht und damit eine Bindung bzw. Anziehung entsteht, wird bei der Kundenbindung ein gewisser Druck von Unternehmen auf den Kunden ausgeübt. Loyale Kunden haben für Sie entscheidende Vorteile, denn sie…
- reagieren weniger auf veränderte Preise,
- empfehlen aktiv die erworbenen Produkte bei Freunden, Bekannten und Geschäftskollegen weiter,
- weisen eine ausgeprägte Zahlungsmoral auf,
- reagieren sehr positiv auf Up- und Cross-Selling-Angebote und probieren gern andere Produkte oder Services aus Ihrem Hause aus,
- suchen nicht aktiv nach alternativen Anbietern,
- tolerieren eher Lieferverzögerungen oder andere unvorhergesehene Probleme,
- geben bereitwillig und meist ausführlich Feedback zu Ihren Produkten und
- verbessern die Motivation Ihrer Mitarbeiter.
Bitte bedenken Sie, dass sich jede stabile und aufrichtige Kundenbeziehung um die Entwicklung positiver Gefühle dreht, wie Verlässlichkeit, Respekt, Wertschätzung, Zuwendung, Sicherheit und Flexibilität. Im Kundenbeziehungsmanagement geht es vor allem um Lebensqualität auf Kundenseite und um greifbaren Erfolg auf der Unternehmensseite. Emotionalität verbindet beide Partner miteinander und bildet die Voraussetzung dafür, an dieser Beziehung festhalten zu wollen.
Investieren Sie in individuellen Service, persönliche Ansprache ‒ und Mehrwert
Eine loyale Kundenbeziehung kann sich rationalen Entscheidungen widerstreben. Statt sich dem Anbieter mit dem besten Produktpreis auszusuchen, wünschen sich loyale Kunden Exklusivität bzw. Individualität in Form einer persönlichen Kundenansprache ‒ nicht ausschließlich individualisierte Produkte!
Bietet ein Unternehmen allerdings seinen Kunden keinen Mehrwert und kann sie nicht emotional ansprechen, entscheidet lediglich der Preis über einen Abschluss. Wenn Kunden jedoch berührt und begeistert werden können, sind diese gern bereit etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Denn dieses positive Gefühl wollen sie dann nicht mehr missen.
Mehrwert in Form von einzigartigen Produkten und Services (Newsletter, zusätzliche Angebote, App, Partnerprogramme etc.) rund ums Produkt bedienen das Kundenbedürfnis nach Exklusivität. Nehmen Kunden diese Mehrwerte an, fällt es ihnen schwer, Unternehmen und Händler miteinander zu vergleichen.
Fragen Sie sich also, welches Alleinstellungsmerkmal Sie Ihren Kunden anbieten können, um nicht austauschbar zu sein. Zukünftige Marktveränderungen führen dazu, sich stets den Kundenbedürfnisse anzupassen und neue Mehrwerte für den Kunden zu kreieren. Bieten Sie kontinuierlich Gründe an, die Loyalität zu Ihren Produkten und Ihrem Unternehmen aufrecht zu erhalten.
So messen Sie die Kundenloyalität
Um eine loyale Beziehung zu Ihren Kunden aufzubauen, sollten Sie ein Messsystem entwickeln, auf dessen Basis Sie Fortschritte erkennen und notwendige Maßnahmen einführen können.
Eine zielführende Methode dafür ist der vom amerikanischen Wirtschaftsstrategen Fred Reichheld entwickelte Net Promoter Score (NPS®). Er basiert auf der Weiter- empfehlungsbereitschaft des Kunden. Nach Reichhelds Lehre werden lediglich zwei Fragen gestellt: Zunächst wird nach der grundsätzlichen Bereitschaft des Kunden gefragt. Auf einer Skala von 0 bis 10 gibt er die Wahrscheinlichkeit an, nach der er ein Unternehmen weiterempfehlen würde. Anschließend werden die Wahrscheinlichkeiten in drei Kundenkategorien aufgeführt, denen im zweiten Step jeweils eine weitere Frage gestellt wird.
- Die Promotoren (9-10) beabsichtigen voll und ganz, das Unternehmen weiterzuempfehlen. Ein Beispiel für Promotoren stellen Apple-Fans dar, die bereits vor einem Apple-Store übernachten, um am nächsten Morgen das neueste iPhone in den Händen halten zu können. Ihnen wird anschließend die Frage gestellt, aus welchem Grund Sie diesen Wahrscheinlichkeitswert genannt haben.
- Die Passiven (7-8) sind mit dem Unternehmen und Produkt zwar zufrieden, stellen jedoch keine Botschafter für die Marke dar. Sie sind nicht aktiv auf der Suche nach Alternativen, könnten aber dem Werben eines Konkurrenten wohl nicht widerstehen. Fragen Sie die Passiven nach konkreten Optimierungen, die fehlen, damit sie Sie und Ihr Produkt weiterempfehlen.
- Die Kritiker (6 oder niedriger) werden aller Voraussicht nach nicht mehr bei Ihnen kaufen. Statt Sie weiterzuempfehlen, werden sie eher negativ über Ihr Unternehmen und Produkt sprechen. Auch hier sollten Sie im zweiten Schritt exakt nachfragen, welche Verbesserungsmöglichkeiten Sie als Anbieter realisieren sollten, um von dieser Gruppe eine Weiterempfehlung zu erreichen.
Den Net Promoter Score errechnen Sie, indem Sie die Differenz bilden aus dem Promotoren-Prozentsatz und dem der Kritiker. Die Gruppe der Passiven wird dabei nicht beachtet. Haben Sie zum Beispiel 500 Kunden befragt, von denen 250 Promotoren, 100 Passive und 150 Kritiker sind, beträgt Ihr NPS® +20.
Fazit
Gerade im Vertrieb ist der Ruf nach Neukunden unüberhörbar. Jedoch ist es bis zu 10 Mal aufwendiger, einen neuen Kunden für sich zu gewinnen als einen Bestandskunden zu binden.
Kundenloyalität birgt enormes Umsatzpotenzial. Tatsache ist aber auch, dass Unternehmen diese Loyalität nur mit Mühen erlangen. Produkte werden künftig immer austauschbarer, Kunden kritischer und Preise vergleichbarer.
Schaffen Sie ein einzigartiges Customer Engagement und sorgen Sie dafür, dass sich Kunden emotional angesprochen fühlen. Nur so können Sie dem allgegenwärtigen Preiskampf trotzen und Kunden begeistern.
Neben der Bindung von Kunden bietet das Business von kleinen und mittelständischen Unternehmen unterschiedliche Herausforderungen. Welche das sind und wie Sie diese annehmen, verraten wir Ihnen in unserem Whitepaper „Wie tickt die KMU-Landschaft in Deutschland?“.