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Mehr Mut wagen

Dr. Jörg Bernardy, Experte für emotionale Intelligenz, verrät im Interview, wieso Führungskräfte Vertrauen nicht gewinnen können und was wir von romantischen Beziehungen für den Job lernen können.

Dr. Jörg Bernardy lebt als freier Autor und Speaker in Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Philosophie der Medien, Kultur, Gesellschaft und Ästhetik. Dabei schlägt er die Brücke von den Grundsteinen der Philosophie in den praktischen Alltag, wie in seinem Buch „Der kleine Alltagsstoiker – 10 Gelassenheitsregeln fürs Lebensglück“.

Herr Dr. Bernardy, was ist eigentlich Mut?
Mut bedeutet, dass ich etwas mit ungewissem Ausgang tue und mit dem Bewusstsein, dass es auch schief gehen kann. Mut ist dabei weniger eine Charaktereigenschaft, sondern vielmehr eine Tugend, die unsere rationalen und emotionalen Ressourcen miteinander verbindet. Das heißt auf der einen Seite, dass wir lernen können, mutiger zu sein und auf der anderen, dass wir diese Fähigkeit pflegen müssen.

Welche Rolle spielt Mut für Unternehmen? 
An und für sich ist der Mut Einzelner für Unternehmen erstmal gar nicht so spannend. Entscheidend ist dagegen, wie er sich in die gesamte Organisation bringen lässt, denn sonst etabliert sich schnell eine negative Fehlerkultur, die von Angst geprägt ist. Im Gegensatz dazu bedeutet mutig zu handeln nicht, die Angst vor dem Scheitern zu überwinden, sondern sie in den eigenen und kollektiven Abwägungsprozess zu integrieren. Für Unternehmen ist es wichtig, Mitarbeiter:innen Räume zur Verfügung zu stellen, in denen sie sich dafür öffnen können. So schaffen sie eine Mutkultur.

Mutige Mitarbeiter:innen brauchen vertrauensvolle Manager:innen.“

Sie unterstützen Unternehmen dabei, zu einer solchen Mutkultur zu finden. Wie sehen denn typische erste Schritte aus?
Mutige Mitarbeiter:innen brauchen vertrauensvolle Manager:innen. Um dieses Vertrauen herzustellen, spielt das Persönliche eine große Rolle. Das heißt, sie müssen schon zu Beginn – beispielsweise in Gruppen-Workshops – ein Umfeld schaffen, in denen sich Teams und Führungskräfte auf Augenhöhe begegnen. Auch diese Gruppen-Workshops erfordern schon Courage, denn hier können sich sehr intensive Dialoge entwickeln, die neue Handlungs- und Entscheidungsimpulse setzen.

Wie bauen Manager:innen dann dieses Vertrauen auf?
„Vertrauen aufbauen” ist dabei genau der richtige Begriff – „gewinnen” lässt es sich nämlich nicht, denn dahinter steckt ein stetiger Prozess. Zuerst müssen wir betrachten, was Vertrauen bedeutet, nämlich die Erwartung, dass sich andere Menschen berechenbar in meinem Interesse verhalten. In unserem Kontext heißt das also, dass Mitarbeiter:innen von ihren Führungskräften erwarten, sich für ihre Belange einzusetzen. Das erfordert ein hohes Maß an Empathie von Manager:innen, denn im Laufe der Zeit fordern viele Mitarbeiter:innen die eigenen Interessen gar nicht mehr proaktiv ein, sondern haben eine innere und unausgesprochene Erwartungshaltung an die Vorgesetzten. Das gleicht romantischen Beziehungen, in denen so etwas auch häufig unausgesprochen bleibt.

Die Weitergabe persönlicher medizinischer Daten ist jedoch ein hochsensibles Thema. Wie könnten sich Bedenken aus Ihrer Sicht ausräumen lassen?
Vertrauen ist der wichtigste Leitwert für uns bei Salesforce und wiegt umso schwerer in stark regulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen. Unsere Plattform unterstützt unsere Kund:innen dabei, alle Gesetze und branchenspezifischen Richtlinien umzusetzen und einzuhalten. Dazu veröffentlichen wir auch Checklisten, Tipps und Handreichungen.

Arbeits- und romantische Beziehungen sind sich strukturell also manchmal gar nicht so unähnlich?
Genau, eine Beziehung, bei der wir es nicht schaffen, in zwei Jahren ein tiefgreifendes und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, wird nicht überleben – weder im Privaten noch im Berufsleben.

Eine Beziehung, bei der wir es nicht schaffen, in zwei Jahren ein tiefgreifendes und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, wird nicht überleben.“

Kommen wir zurück zum Thema Mut- und Fehlerkultur. Wie sollten Unternehmen damit umgehen, wenn doch mal etwas schief geht?
Führungskräfte sind dann im Besonderen gefordert und müssen mit ihren Teams eruieren, wie es das nächste Mal besser geht. Möchte eine Organisation eine Mutkultur aufbauen, dann darf Scheitern nicht zu Schuldzuweisungen führen. 

Gibt es grundlegende Fähigkeiten, die Mitarbeiter:innen dafür mitbringen sollten?
Um eine Mutkultur zu leben, benötigen wir ein dynamisches Selbstbild: Ein Selbstbild, in dem wir unsere Persönlichkeit und unsere Gewohnheiten als etwas sehen, das veränderlich ist und in dem wir Rückschläge und Fehler als etwas sehen, um Neues zu probieren und uns weiterzuentwickeln.

Wir erleben derzeit unstete Zeiten, in denen alte Gewissheiten nicht mehr zu gelten scheinen. Sind Organisationen mit Multkultur auch resilienter?
Zumindest können sie mit Veränderungen besser umgehen und haben mehr Handlungsspielraum, um echte Krisen zu überstehen. Aufgebautes Vertrauen und Eigenverantwortung zahlen sich besonders in schwierigen Zeiten aus. Insofern ja: Organisationen, die aktiv eine Mutkultur fördern und ihren Mitarbeiter:innen genügend Raum zur persönlichen Entwicklung lassen, sind langfristig resilienter.

Fotografie: Denis Pernath Photography

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