Lange Zeit galten die Berufswelt und das Familienleben als strikt voneinander getrennte Bereiche. Präsenz- und Vollzeitkultur bestimmten den deutschen Firmenalltag. Doch die klare Trennlinie gibt es seit einigen Jahren nicht mehr. Immer mehr Mitarbeiter fordern von Arbeitgebern Maßnahmen für eine bessere Work-Life-Balance. Die sich ändernden Bedürfnisse Ihrer Belegschaft erfordern eine größere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Lesen Sie, wieso die Work-Life-Balance in Betrieben massiv an Bedeutung gewinnt und wie Sie entsprechende Maßnahmen als Wettbewerbsvorteil nutzen.
Was Work-Life-Balance bedeutet
Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit sehen Sie schon daran, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine umfassende Analyse volkswirtschaftlicher Auswirkungen einzelner Maßnahmen als umfangreiche Broschüre zur Verfügung stellt. Darin ist die Work-Life-Balance als „eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt“ definiert.
Eine erfolgreiche Berufslaufbahn soll mit den privaten, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Bedürfnissen des jeweiligen Mitarbeiters in Einklang gebracht werden. Zu den Kernaspekten gehören bedarfsorientierte und individuell verteilte Arbeitszeiten, flexible Arbeitsorte und gesundheitspräventive Angebote.
Warum die Work-Life-Balance immer wichtiger wird
Beschäftigte sehen sich vielfältigeren Herausforderungen ausgesetzt als noch vor 10 oder 20 Jahren. Heutzutage arbeiten oftmals beide Lebenspartner, wodurch sich weder der eine noch der andere komplett um die Kindererziehung kümmern kann. Auch die steigende Zahl Alleinerziehender verlangt nach flexiblen Work-Life-Balance-Maßnahmen. Ohnehin geht die gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer ausgeprägteren Elternschaft. Auch Väter wollen verstärkt an der Kindererziehung teilhaben und ihrem Nachwuchs so viel Zeit wie möglich widmen. Hinzu kommen bei vielen Mitarbeitern pflegebedürftige Eltern im Rentenalter, die ebenfalls Zeit beanspruchen. Die zunehmende Zahl an Pendlern, die jeden Tag stundenlange Fahrzeiten bewältigen, sehnen sich ebenfalls nach flexibleren Anwesenheitsregelungen mit Möglichkeiten für Home-Office-Tage.
Auch der steigende materielle Anspruch an ein erfülltes Leben sorgt für einen zunehmenden Leistungsdruck. Viele Beschäftigte träumen nicht mehr nur von einer schicken Altbauwohnung, einem schnellen Auto und aufregenden Weltreisen, sondern wollen diese Träume unter allen Umständen in die Tat umsetzen.
Jüngere Mitarbeiter aus den Generationen Y und Z sehen eine stärkere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bereits als selbstverständlich an. Arbeit ist für diese Zielgruppe nicht mehr der zentrale Mittelpunkt des Lebens. Vielmehr geht es um Selbstverwirklichung und kontinuierliche Weiterentwicklung. Flexible Arbeitszeiten sind für viele Vertreter dieser Gruppe essenzieller als lukrative Prämien.
Außer persönlicher Einstellungen und Verpflichtungen führen noch weitere Elemente zu einem höheren Work-Life-Balance-Bedarf. Faktoren wie die Globalisierung, technologische Innovationen und befristete Stellen führen zu einer intensiveren Fluktuation am Arbeitsmarkt. Mitarbeiter sehen sich einer wachsenden internationalen Konkurrenz ausgesetzt und spüren dadurch einen zunehmenden Leistungsdruck. Zudem sind sie über ihr Smartphone jederzeit und überall auch für Vorgesetzte erreichbar, was das Stressaufkommen erhöht. Dadurch werden individuelle Ausgleichsmaßnahmen immer wichtiger.
Von der Work-Life-Balance profitiert nicht nur eine bestimmte Beschäftigtenklientel, wie etwa die alleinerziehende Mutter aus der Personalabteilung. Auch der ältere Mitarbeiter des mittleren Managements und die nach einem Ausgleich zum stressigen Berufsalltag suchende Führungskraft werden flexiblere Arbeitsregelungen begrüßen.
Vielfältige Arbeitszeitmodelle für alle Bedürfnisse
Die flexible Verteilung der Arbeitszeit ist einer der wichtigsten Aspekte für eine möglichst große Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Zeit, die Ihre Mitarbeiter im Unternehmen verbringen, hat einen bedeutenden Einfluss auf deren persönliche Lebensgestaltung. Folgerichtig wünschen sich viele Angehörige eines Betriebs flexiblere Arbeitszeiten, um einen größeren privaten Handlungsspielraum für individuelle Erfordernisse zu haben. Verschiedene Zeitmodelle kommen den Anforderungen der modernen Arbeitswelt und den Bedürfnissen der Beschäftigten gleichermaßen entgegen:
Teilzeitarbeit: Mitarbeiter wünschen sich häufig eine Reduzierung der Arbeitszeit, wenn sie sich beispielsweise nach der Geburt ihres Kindes intensiv um den Nachwuchs kümmern möchten oder pflegebedürftige Verwandte versorgen müssen. Orientiert an den betrieblichen Möglichkeiten wählen Beschäftigte zwischen vollzeitnaher Teilzeitarbeit (zwischen 25 und 34 Stunden pro Woche) und vollzeitferner Beschäftigung (maximal 24 Stunden/Woche). Insbesondere die letztgenannte Variante bietet sich für die Elternzeit oder Elder-Care-Phasen an. Auch Jobsharing von zwei oder mehr Personen wird so möglich.
Einer der Vorteile für Firmen besteht darin, die Betriebszeiten von den meist kürzeren Arbeitszeiten entkoppeln zu können. So lassen sich etwa technisch hochgerüstete Arbeitsplätze durch einen Schichtbetrieb gleichmäßiger und damit rentabler auslasten.
Sabbaticals: In den letzten Jahren zeigen insbesondere Führungskräfte verstärkt Interesse an längeren Auszeiten, um sich vorübergehend mit unternehmensunabhängigen Pflichten oder Interessen zu beschäftigen. Die Dauer und Bedingungen zur Wiedereingliederung in die Firma werden hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Lebensentwürfe des Mitarbeiters individuell verhandelt.
Gleitzeit: Diverse Unternehmen bieten Beschäftigen bereits an, den Beginn und das Ende der Arbeitszeit in einem festgelegten zeitlichen Rahmen frei zu wählen. Mitarbeitern bestimmter Abteilungen steht es beispielsweise frei, zwischen 7 und 10 Uhr vormittags anfangen zu arbeiten. Trotz zeitlicher Flexibilität muss sich die Belegschaft an die vertraglich festgelegten Wochenarbeitszeiten halten. Häufig geben Firmen Kernzeiten vor, während der für alle Beschäftigten eine Anwesenheitspflicht besteht.
Arbeitszeitkonten: Länger arbeiten in Boomphasen und dafür bei Auftragsebben kürzertreten – das ermöglichen Arbeitszeitkonten. Der Betrieb hält die tatsächlich geleistete Arbeit eines Beschäftigten fest und verrechnet sie mit der vertraglich festgelegten Arbeitszeit. So entstehen Zeitguthaben oder -defizite, die es bei geeigneter Gelegenheit auszugleichen gilt. Mitarbeiter gewinnen dadurch Flexibilität. Unternehmen können Auftragshochzeiten ohne bezahlte Überstunden bewältigen. In Deutschland besitzen mehr als die Hälfte aller Beschäftigten ein Arbeitszeitkonto.
Flexible Arbeitszeiten Ihres Personals geben Ihnen mannigfaltige Möglichkeiten, Ihre Produktion sowohl auf die Marktsituation als auch die Mitarbeiterbedürfnisse auszurichten. Nutzen Sie die Chance, um auch mittel- und langfristig gegen Wettbewerber zu bestehen.
Flexible Wahl des Arbeitsortes
Moderne Kommunikations- und Informationstechnologien ermöglichen es Mitarbeitern, deren Jobanforderungen es zulassen, den Großteil ihrer Arbeit praktisch von überall aus zu erledigen. Egal ob im Zug, Hotelzimmer oder vom Homeoffice aus – Telearbeit wird durch den digitalen Arbeitsplatz immer populärer.
Beschäftigte können flexibel von zuhause aus tätig sein, während der Betrieb nicht mehr dauerhaft für alle Angestellten Präsenzarbeitsplätze bereitstellen muss. Ebenso entfällt der Zeitverlust durch den Pendelverkehr.
Für die Kommunikation und den Dokumentenaustausch reichen das Smartphone und der Laptop. Beschäftigte können via Video- und Telefonkonferenzen jederzeit mit Vorgesetzten oder Kollegen in Verbindung treten, Projekte besprechen und digitale Unterlagen versenden.
Angebote zur Gesundheitsförderung
Menschen leben immer gesundheitsbewusster und erwarten von Betrieben entsprechende Angebote. Ein firmeneigenes Gesundheitsmanagement steigert die Motivation, Leistung und körperliche Verfassung Ihres Personals. Bieten Sie etwa Fitnessangebote und Erholungszentren auf dem Firmengelände.
Auch Aktionstage mit Themen wie „Gesunde Ernährung“ bringen Abwechslung in den Berufsalltag und eröffnen Mitarbeitern neue Perspektiven. Ebenso gehört die behutsame Wiedereingliederung nach einer krankheitsbedingten Abwesenheit zu den wichtigsten Gesundheitsmaßnahmen eines Unternehmens.
Mitarbeiterbindung als Trumpf gegenüber der Konkurrenz
Personalabteilungen sind schon lange nicht mehr nur damit beschäftigt, neue Leute für das Unternehmen zu gewinnen. Inzwischen geht es genauso darum, verdiente Mitarbeiter durch attraktive Angebote möglichst lange im Betrieb zu halten. Der Grund dafür ist der demographische Wandel. Aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft nimmt die Größe der Erwerbsbevölkerung stetig ab. Dadurch muss jeder Einzelne immer mehr erwirtschaften, was zu einer längeren Lebensarbeitszeit führt. So steigt der Wert jedes Beschäftigten für das Unternehmen.
Machen Sie Ihren Beschäftigten den Verbleib in der Firma so schmackhaft wie möglich, da sich auch Ihre Konkurrenz ständig um Fachkräfte bemüht. Außer den bereits angesprochenen intelligenten Arbeitszeitmodellen, flexiblen Arbeitsplätzen und Gesundheitsförderungen gibt es noch viele weitere Maßnahmen für eine höhere Work-Life-Balance.
Sie können etwa Serviceleistungen für Familien einführen. Dazu gehören firmeneigene Kitas und unterstützende Maßnahmen bei der Betreuung pflegebedürftiger Familienmitglieder. Auch berufsübergreifende Seminare für Konflikt-, Stress- und Selbstmanagement wirken mitarbeiterbindend und erhöhen die Sozialkompetenz Ihrer Belegschaft.
Die positiven Auswirkungen von Work-Life-Maßnahmen
Das ausbalancierte Privat- und Arbeitsleben Ihrer Mitarbeiter verschafft Ihnen und Ihrem Personal eine Reihe von Vorteilen. Sie werden als Arbeitgeber attraktiver, die Motivation Ihrer Beschäftigten nimmt zu und die Mitarbeitertreue zu Ihrem Unternehmen steigt. Das hat ein besseres Arbeitsklima, eine höhere Produktivität und potenziell mehr Umsatz zur Folge. Ihre Wettbewerbsposition verbessert sich und sie sparen Kosten durch eine geringere Mitarbeiterfluktuation.
Wichtig ist es, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer passende Arrangements zu finden. Bieten Unternehmen etwa Teilzeit an, ohne die dafür nötigen Strukturen im Arbeitsablauf zu schaffen (Stellenpläne/Vertretungen), wird die Produktivität sinken. Planen Sie alle Schritte genau durch und berücksichtigen Sie bei Ihren Überlegungen sowohl die individuellen Bedürfnisse Ihrer Belegschaft als auch die Erfordernisse des Marktes.
Einige Führungskräfte begehen den Fehler, den Mitarbeiterwunsch nach mehr Work-Life-Balance automatisch mit nachlassendem beruflichen Engagement gleichzusetzen. Besprechen Sie etwaige Ausgleichsmaßnahmen stattdessen ergebnisoffen mit dem jeweiligen Beschäftigten. Machen Sie sich im Laufe des Dialogs ein Bild davon, welche Vorgehensweise am besten für alle Beteiligten ist.
Ein zusätzliches Ziel der Work-Life-Balance ist die langfristige Gesundheit Ihrer Beschäftigten. Der demografische Wandel und das dadurch steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung macht auch vor Ihrer Firma keinen Halt. Insbesondere im Alter neigen Angestellte zu häufigeren krankheitsbedingten Ausfällen. Sinkende Fehlzeiten durch Gesundheitsprävention sparen Ihnen Unmengen an Geld, das Sie wiederum in neue Projekte investieren können.
Mit einer konsequenten Durchführung der Work-Life-Balance erreichen Sie Dreierlei. Sie legen einen essenziellen Grundstein für den zukünftigen Erfolg Ihres Unternehmens, zeigen Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen und unterstützen das volkswirtschaftliche Wachstum. Im Alltag werden Sie aber vor allem eine Konsequenz spüren: zufriedenere und dadurch produktivere Mitarbeiter.
Auch Kleinbetriebe profitieren
Maßnahmen zur Steigerung der Work-Life-Balance wirken als zentraler Faktor im Wettbewerb um die besten Talente und Fachkräfte, die der Markt hergibt. Flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkeiten und Angebote zur Gesundheitsförderung führen ebenso zu einer größeren Mitarbeiterbindung, die sich in Zeiten einer immer älter werdenden Belegschaft zu einem entscheidenden Trumpf im Konkurrenzkampf mit dem Wettbewerbern entwickelt.
Ebenso wie Konzerne profitieren Kleinbetriebe von einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Welche zusätzlichen Aspekte für mehr Wachstum und Weiterentwicklung bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sorgen, erfahren Sie in dem Whitepaper „Wie tickt die KMU-Landschaft in Deutschland?“.