Die moderne Welt ist durch einen immer stärker wachsenden Mobilitätsbedarf geprägt, gleichzeitig wird die Autoindustrie aktuell mit einem nicht unerheblichen, wirtschaftlichen Abschwung konfrontiert. Anders gesagt: Die Mobilitätswende ist in vollem Gange. Was bedeutet das für Verbraucher und Industrie?
Die klassische Industrie, zu der auch das Zuliefergeschäft, der Fahrzeugbau und -handel sowie der Aftermarket gehören, steht vor enormen Herausforderungen. Eine McKinsey-Studie prognostiziert einen Einbruch des Gewinnanteils von 71 Prozent auf nur noch 41 Prozent bis zum Jahr 2030; Experten von PwC gehen sogar von einem Einbruch auf 38 Prozent aus. Zusätzlich setzen neue Marktteillnehmer, allen voran Tech-Giganten, aber auch kleinere Startups, die traditionellen Hersteller unter Druck: Beim Wettlauf zum autonomen Fahren hoffen Google, Apple & Co. ihr Know-how und ihren Datenvorteil gewinnbringend ausspielen zu können. Doch anders als die durch Streamingportale obsolet gewordenen Videotheken haben traditionelle Autohersteller die Zeichen der Zeit längst erkannt und versuchen mit neuen Geschäftsmodellen dagegen zu halten. Die Frage bleibt jedoch, ob sie schnell und flexibel genug sind, denn der Mobilitätswandel wird von OEMs oft eher vorsichtig vorangetrieben – vor allem in Deutschland.
Die Mobilitätswende als technologischer Wandel
Die Elektromobilität ist in aller Munde. Dennoch sind Fußgänger in Deutschland noch häufig erstaunt, oder gar erschrocken, wenn plötzlich ein leise surrendes Auto an ihnen vorbeifährt. Woran liegt es? In erster Linie an den Kosten – noch.
Dass es sich bei Elektrofahrzeugen eher um Asphaltexoten handelt, hängt trotz aller Prämien nach wie vor an den schon erwähnten hohen Kosten. Wenn die Batteriekosten erwartungsgemäß in den kommenden 10 Jahren auf 150 bis 200 US-Dollar sinken, so die Experten von McKinsey, würden Elektrofahrzeuge die Kostenwettbewerbsfähigkeit erreichen und damit den wichtigsten Katalysator für die Marktdurchdringung schaffen. Hinzu kommen Fortschritte in Ladetechnik und Reichweite, die die surrenden Vehikel zu einer echten Alternative in der Verkehrswende machen. Einer Alternative wohlgemerkt, die vermutlich meist noch als Hybrid daherkommt und den Verbrennungsmotor so nicht völlig von der Straße fegt.
Ein Grund für die Freude am Hybrid ist dabei sicherlich die Ladesäuleninfrastruktur. Laut dem Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft gab es im August 2019 in ganz Deutschland lediglich 20.650 Ladepunkte. Gerade längere Routen müssen deshalb vorab richtig durchgeplant werden – eventuelle Umwege zum Aufladen des Kraftstoffes eingeschlossen.
Ganz ohne lästige Ladesäulen kommt hingegen die GroundPad-Technologie aus. Eine bestellbare Sonderausstattung des BMW 530e iPerformance ist dabei Vorreiter einer Mobilitätswende, durch welche sich Pkws induktiv laden lassen. Ob in der Garage, auf einem öffentlichen Parkplatz oder sogar im Haltebereich vor einer Ampel – all dies ist möglich. Gezahlt werden könnte dank Blockchain-Technologie voll automatisch. Mobilität ohne lästiges Tanken bzw. Aufladen erscheint so zum Greifen nah. Größtes Hemmnis für eine flächendeckende Durchsetzung dürfte allerdings noch eine fehlende Standardisierung sein, denn längst tüfteln andere Hersteller an ihren eigenen Lösungen.
Unsere Metastudie zur Mobilitätswende: Die Ergebnisse der relevantesten Studien rund um die Verkehrswende haben wir in einer umfangreichen Metastudie zusammengefasst. Hier können Sie sich einen Überblick über prognostizierte Veränderungen und Herausforderungen der Industrie verschaffen. Zum kostenlosen Download:
Die Mobilitätswende als Kulturwandel
Neben technologischen Innovationen werden gerade für junge, zukünftige Kunden die Umweltaspekte immer wichtiger. Während Schüler freitags auf die Straße gehen und sich für die Einhaltung von Klimazielen stark machen, macht eben diese „Generation-Greta“ auch den Führerschein (oder bewusst nicht). Um die Ziele des gesellschaftlich so relevanten Pariser Abkommens zu erfüllen und die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen, muss die Verbrennung von Erdölprodukten bis etwa 2040 eingestellt werden. Da deshalb auch die CO2-Emissionen des Verkehrs in Deutschland auf praktisch Null sinken müsste, reichen die bisher im Verkehrsbereich getroffenen Maßnahmen nicht aus.
Klar ist: Neue Technologien, alternative Kraftstoffe und eine wirkliche Mobilitätswende geben allen Grund zur Hoffnung – auch für die Umwelt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Das bei der Batterieproduktion entstehende Treibhausgas-Defizit gleicht ein aus regenerativen Quellen gespeistes Elektrofahrzeug bereits nach 40.500 km gegenüber einem Diesel aus, rechnet der ADAC vor.
Ein weiterer kultureller Trend: Das Auto als Statussymbol hat insbesondere in der jüngeren städtischen Bevölkerung ausgedient. Wichtiger als der materielle Besitz ist das immaterielle Gut Zeit. Entscheidend ist, möglichst schnell von A nach B zu gelangen. Ein Pkw ist hier nur eine Möglichkeit von vielen und seine Funktion als Fortbewegungsmittel ist losgelöst von seinem Besitz.
Angesichts verstopfter Innenstädte und mangelnden Parkraums verliert das eigene Auto gegenüber den Alternativen an Wert. Mehr als 3/4 der Bevölkerung geben zu Protokoll, in Städten und Gemeinden leben zu wollen, in denen ein eigenes Fahrzeug kein Muss mehr ist.
„Wir stehen vor ähnlichen Umwälzungen wie nach der Erfindung des Autos vor 125 Jahren“
heißt es zum Thema Mobiliätswende in „Die Evolution der Mobilität“, einer Studie, die das Zukunftsinstitut im Auftrag des ADACs durchgeführt hat.
Fahrzeughersteller stehen vor der Herausforderung, zukünftig ihren Kunden nicht mehr bloß ein Fahrzeug zu verkaufen, sondern eine am Kundenwunsch orientierte Dienstleistung anzubieten. Die zunehmende Digitalisierung der Mobilität begeistert durch mehr Konnektivität und digitale Funktionen nicht nur den Kunden, sondern bietet den Herstellern, Dienstleistern und Händlern die Möglichkeit, sich auf Basis großer Datenmengen ein haargenaues Bild von den Kundenbedürfnissen zu machen. Voraussetzung ist jedoch eine leistungsstarke IT-Umgebung.
Ist Sharing Caring?
Jedes 3. Auto, das in einer Innenstadt unterwegs ist, ist auf der Suche nach einem Parkplatz. Erstaunliche Zahlen, die beweisen, dass die Parkplatzsuche ein wesentlicher Faktor für erhöhtes Verkehrsaufkommen ist. Eine Hoffnung der Mobilitätswende lautet demnach: Teilen sich mehrere Personen ein Auto, werden entsprechend weniger Parkplätze beansprucht, der Verkehr aufgelockert und der CO2-Ausstoß reduziert. Ist das das Aus für den Individualverkehr in Städten?
Sharing-Angebote von Autos, Fahrrädern und seit 2019 auch E-Scootern gehören zum aktuellen Stadtbild genauso dazu wie der ÖPNV. Genutzt wird, was preiswert, verfügbar und schnell ist. Selbst der in diesem Zusammenhang erst mal erstaunlich klingende Rückzug von ShareNow aus Nordamerika und London kann als Beleg hierfür gedeutet werden. Preiswert und verfügbar sind in den USA vor allem die dortigen Platzhirsche Uber und Lyft und wer in einer Stadt wie London schnell vorwärtskommen möchte, nimmt bestimmt nicht das Auto.
Eine McKinsey-Studie beziffert das jährliche Wachstum der Carsharing-Mitglieder in Nordamerika und Deutschland auf über 30 Prozent. Die tatsächliche Wirkung dieses Wachstums auf den Verkehr hängt dabei stark von der konkreten Dienstleistung ab, wie die 2018 durchgeführte Studie zur „Entlastungswirkung verschiedener Carsharing-Varianten“ des Bundesverband CarSharing e. V. (bcs) belegt. Während die Nutzer stationsbasierten Carsharings tatsächlich signifikant häufig auf ein eigenes Pkw verzichten, dient das Free-Floating als Ergänzung zum eigenen Auto.
Free-Floating / Stationsbasiert
Beim Free-Floating befindet sich das Auto dort, wo der letzte Fahrer es abgestellt hat. Beim stationsbasierten Carsharing muss das Auto an einer definierten Station abgeholt und dort hin zurückgebracht werden.
„Neben den fehlenden langfristigen Reservierungsmöglichkeiten dürften bei den reinen free-floating-Systemen von car2go und DriveNow auch das Tarifsystem und die hohen Preise dazu beitragen, dass viele Kunden diese Variante nicht als vollwertigen Ersatz zum eigenen Auto ansehen“
mutmaßt der bcs. Zukünftig wollen die Free-Floater sich zu autonom fahrenden Taxis entwickeln, wodurch auch dieses System mehr zur Entlastung der Städte beitragen dürfte. So geben laut PwC 47 Prozent der europäischen und 79 Prozent der chinesischen Verbraucher an, die Aufgabe des eigenen Autos zu erwägen, sobald wettbewerbsfähige Robotertaxis verfügbar seien.
Was hält die Mobilitätswende auf?
Die Möglichkeiten zur Erreichung der Verkehrswende sind da. Was fehlt, sind politische Initiativen, die die Elektromobilität massiv unterstützen und das Potential einer Mobilitätswende ausschöpfen. Investitionen in den ÖPNV sind dabei ebenso erforderlich, wie verbesserte Rahmenbedingungen für Sharing-Angebote. Gleichzeitig können verbesserte Fahrrad- und Fußwege den Anteil nicht-motorisierter Wege steigern. Gerade um die Mobilitätswende auch auf dem Land voranzutreiben, müssen Radschnellwege eingerichtet werden. Zudem sollte die Politik bessere Rahmenbedingungen für das Arbeiten im Home-Office geben. Die Niederlande können hier als Vorbild dienen: Dort müssen Betriebe seit 2015 Heimarbeit grundsätzlich erlauben, wenn keine schwerwiegenden Dienst- oder Betriebsinteressen dagegensprechen.
Best Practice: Urban Mobility of Barcelona
In sogenannten „Superblöcken“ werden mehrere Häuserblöcke zusammengelegt. Die Höchstgeschwindigkeit liegt hier bei nur 10 km/h, wobei lediglich Anwohner und Lieferanten durch die Blöcke fahren dürfen, der übrige Verkehr wird umgeleitet. Ein anderes Konzept ist, Autoparkplätze gesammelt am Rande von Wohngebieten in Quartiersgaragen anzulegen. Die Anwohner sollen so motiviert werden, häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, da diese nun schneller zu erreichen sind, als das eigene Auto.
Die Mobilität der Zukunft
So viel ist sicher: Die Mobilitätswende ist im Gange und die gesamte Automobilindustrie sieht sich mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Dabei tun sich aber auch große neue Chancen auf. Das Geschäft für geteilte On-Demand-Fahrzeuge etwa wird sich in den USA, der EU und China von einem 87-Milliarden-Dollar-Markt 2017 zu einem 1,4-Billionen-Dollar-Markt 2030 entwickeln. Die zunehmende Digitalisierung wird bereits bestehende Mobilitätskonzepte erweitern. Neue Geschäftsmodelle basierend auf MaaS, Konnektivitätsdiensten und Funktionserweiterungen könnten die Einnahmen aus dem Automotiv-Bereich um etwa 30 Prozent erhöhen. Insgesamt, so prognostizieren McKinsey und PwC, könnte das jährliche Wachstum der Automobilbranche sich dadurch sogar auf 4 Prozent beschleunigen. Aber Achtung: Die profitable Verschiebung des Automotiv-Einnahmepools in Richtung On-Demand- und datengesteuerter Mobilitätsdienste setzt ein erhöhtes Kundenverständnis voraus. Nur wer schnell und genau weiß, welche Mobilitätsangebote von wem, wann und wie genutzt werden wollen, kann immer wieder das beste Angebot zur Verfügung stellen.
Salesforce hilft OEMs, näher an den Kunden heranzutreten, wird zum Wegbereiter für ein neues multi-mobiles Zeitalter und gestaltet die Verkehrswende mit. Viele der im Artikel genannten Zahlen und Fakten haben wir in unserer Metastudie detailliert betrachtet und ausgewertet – ein neugieriger Blick lohnt sich.