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Online-Lebensmittelhandel: Ist Ernährung jetzt digital?

Online-Lebensmittelhandel: Ist Ernährung jetzt digital?

Durch die Pandemie und die Digitalisierung ist der Online-Lebensmittelhandel immer mehr in den Fokus gerückt. Erfahren Sie mehr über das Zukunftskonzept.

Durch die Corona-Pandemie und die zunehmende Digitalisierung erlebt der Online-Lebensmittelhandel einen regelrechten Boom. Die Zahlen zeigen in Deutschland einen Zuwachs des Umsatzes von über 50 Prozent im Vergleich zu 2019. Bereits vor der COVID-19-Krise wurde dem Lebensmittel-E-Commerce ein zweistelliger Zuwachs prognostiziert. Beim Online-Lebensmittelhandel werden Lebensmittel auf digitalen Kanälen angeboten. Man spricht hier auch vom Lebensmittel-Online(einzel)handel (LOEH), von E-Food oder auf Neudeutsch vom „Online-Food-Retailing“.

Der Aufstieg des Online-Lebensmittelhandels

Obwohl der Lebensmittelhandel in Deutschland im internationalen Vergleich einen relativ schwachen E-Food-Anteil hat, sind ist die Bedeutung in den letzten Jahren immer wieder stark angestiegen. Schon vor 2020 sah die Zukunft für den Online-Lebensmittelhandel vielversprechend aus. Nach Daten des EHI stieg der Umsatz beim Online-Handel von Lebensmitteln von 618 Millionen Euro im Jahr 2014 auf fast 1.6 Milliarden Euro im Jahr 2019. 

Die Corona-Pandemie, die im Frühjahr 2020 erste wirtschaftliche Auswirkungen in Deutschland zeigte, wirkte auf die ohnehin gute Entwicklung des  Online-Lebensmittelhandels wie ein Brandbeschleuniger. Hier zeigt die untere Grafik noch einmal ein großes Wachstum im Vergleich zu 2019. Auch in 2021 ist ein weiterer Zuwachs der Online-Bestellungen von Lebensmitteln zu erwarten, da sich die Maßnahmen zur COVID-19-Pandemie wie Ausgangsbeschränkungen und Hygienekonzepte weiterhin auf große Teile der Gesellschaft und den Lebensmitteleinzelhandel niederschlagen und einen starken Einfluss auf das Kaufverhalten und die Akzeptanz des Online-Handels haben. 

Quelle: EHI

Die politischen Maßnahmen sind aber nur ein Teil des Erfolgs der Online-Bestellung von Lebensmitteln. Zeitersparnis, der Wunsch nach Sicherheit und zusätzlicher Komfort sind dabei als die drei wichtigsten Faktoren zu nennen. Wie groß das Marktpotenzial von E-Food in Deutschland tatsächlich ist, lässt sich nicht genau beziffern. Ein Blick nach Großbritannien zeigt jedoch: In Städten wie London erledigen mittlerweile über 40 Prozent (!) aller Bürger ihren Einkauf regelmäßig im Internet. In Deutschland besteht in den nächsten Jahren daher die Möglichkeit einer rasanten Aufholjagd. 

Erfahren Sie im „European Grocery Report” mehr über die europaweiten Entwicklungen, Trends und nachhaltigen Veränderungen im Lebensmittelhandel durch die Corona-Pandemie. Jetzt downloaden! 

Geschäftsmodelle im Online-Lebensmittelhandel

Je nach den infrastrukturellen Gegebenheiten einer Region und bereits vorhandenen Verkaufsflächen haben Anbieter verschiedene Optionen ein Modell für das Angebot eines eigenen Lieferservices für ihren Online-Lebensmittelhandel zu entwickeln.

Mit oder ohne stationären Handel?

Der E-Food-Markt wird aus zwei verschiedenen Richtungen erobert. Auf der einen Seite stehen die etablierten Lebensmitteleinzelhändler, die um den Verlust der eigenen Marktanteile fürchten und die bestehenden Kunden aus den Läden nun auch im Internet ansprechen wollen. Hier kann jeder stationäre Markt, wie beispielsweise Rewe, Edeka und ähnliche kleinere Händler, potentiell als Ausgangspunkt für Lebensmittellieferungen in die Nachbarschaft genutzt werden, was sich positiv auf Lagerkosten und Transportwege auswirkt.

Auf der anderen Seite stehen Händler ohne eigene Verkaufsflächen. Vor allem bei anderen Produktgütern neben dem Lebensmittelhandel ist das System eines Online-Shops ohne stationären Verkaufsfläche immer gängiger. Aber auch im Lebensmitteleinzelhandel vermehren sich die Online-Shops ohne stationären Verkauf, was vor allem mit der weiterhin steigenden Nachfrage und dem rasanten Wachstum des E-Food Sektors zusammenhängt. Unternehmen ohne physischen Shop haben zwar keine verteilten Zweigstellen, können aber oft auf exzellente Lieferketten und Logistik-Know-how zurückgreifen.

On-Demand-Lieferungen oder regelmäßige Touren?

Neben der Vertriebsinfrastruktur gibt es noch weitere Überlegungen, die den Erfolg der Lebensmittellieferung an Konsumenten bedeutend beeinflussen. Meist handhaben es die Anbieter und Händler so, dass Kunden zunächst eine Bestellung aufgeben und daraufhin eine Lieferung per Transporter erfolgt. Gibt es keine Bestellung, rückt kein Fahrzeug oder Bote aus. Dies hat den Vorteil, dass nur dann eine Leistung abgerufen wird und Lieferkosten entstehen, wenn es eine gesicherte Transaktion gibt. 

Ein anderes Konzept beinhaltet regelmäßige Touren. Die Lieferfahrzeuge sind auch dann unterwegs, wenn niemand etwas bestellt hat. Zunächst mag das nachteilig erscheinen, bei genauerer Betrachtung gibt es jedoch einige Vorteile:

  • Es wird durch die ständige Präsenz der Fahrzeuge auf den Straßen mehr Aufmerksamkeit generiert. Wer ein solches Fahrzeug bemerkt, beschäftigt sich aktiv mit dem Konzept der Online-Lieferung und weiß gleichzeitig, dass die Lieferung am aktuellen Standpunkt möglich ist. So sind die Fahrten einerseits Teil des Tagesgeschäfts, dienen aber auch der Werbung. 
  • Feste Routen sorgen dafür, dass die Nachfrage zunächst nur auf diesen Strecken wächst. Dadurch wird eine bestimmte Route gesättigt und lange Wege ohne Auslieferung können vermieden werden. Dies verringert die Lieferkosten und steigert die Attraktivität für Kunden. 
  • Wenn keine Bestellung erfolgt, stehen Mitarbeiter und Maschinen beim On-Demand Modell still, müssen aber trotzdem finanziert werden. Warum das Kapital also nicht nutzen?

Da sich die Lieferstrecken in dicht besiedelten Regionen natürlicherweise kurz halten, ist das Konzept  vor allem dort lohnenswert. Sollte sich das Konzept jedoch bewähren, ist eine Expansion in zunehmend ländliche Räume zu erwarten. 

Herausforderungen für den Online-Lebensmittelhandel 

Deutschland hat noch vergleichsweise viel Luft nach oben was den Online-Lebensmittelhandel betrifft. Frankreich und Großbritannien weisen beispielsweise sehr viel höhere E-Food-Marktanteile auf.  Deutschland ist eher dezentralisiert und weniger Menschen leben in großen Städten als in anderen Industrienationen. Im Großraum London leben fast 9 Millionen Menschen, das entspricht fast 14 Prozent der britischen Gesamtbevölkerung. In Paris leben fast 17 Prozent aller Franzosen. Dagegen ist Berlin nur das Zuhause von gut 4,5 Prozent aller Deutschen. Diese Verteilung der Einwohner auf große Flächen ist eine Hürde für den Lieferservice und stellt Unternehmen vor logistische Herausforderungen. 

Doch auch in Deutschland steht es in Zukunft gut um den Online-Lebensmittelhandel. Je mehr Menschen einer Region das Angebot nutzen, desto günstiger sind die Bedingungen für weitere Kunden. Darunter fallen beispielsweise geringere Lieferkosten. Ist eine bestimmte Schwelle in einer Region überschritten, so kann sich daraus ein selbstverstärkender Effekt ergeben. Im Gegensatz dazu sind Regionen, die unter dieser magischen Schwelle liegen, geradezu in dieser Situation der “Unattraktivität für Lieferservices”gefangen. Durch die geringe Nachfrage schrecken Unternehmen davor zurück, einen Lieferdienst vor Ort anzubieten, da dieser unrentabel wäre – vor allem wenn die Region eher dünn besiedelt ist. Denn die hohen Lieferkosten lassen sich nur mit der steigenden Anzahl der Online-Lebensmittel-Käufer ausgleichen.

Dadurch, dass es kein Angebot in der Region gibt, beschäftigen sich die Bewohner wiederum nicht mit der Möglichkeit, einen E-Food-Service in Anspruch zu nehmen und verbleiben in ihren alten Gewohnheiten. Trotz den durch die Corona-Pandemie entstandenen Bedenken hinsichtlich des Einkaufens im stationären Handel und dem Wunsch nach Sicherheit, steigt hier die E-Food-Nachfrage kaum. Einer muss den ersten Schritt wagen, und das können nur die Unternehmen sein. Durch das gezielte Angebot in Regionen, die zwar noch unrentabel sind, aber kurz vor der Schwelle stehen, stärken sie die Nachfrage vor Ort und sichern sich durch den Pionierbonus die Treue der Kunden und Konsumenten. Die Region entwickelt sich durch das Angebot zu einem profitablen Markt und das Unternehmen steigert langfristig seine Einnahmen. 

Bis jetzt ist der Wagemut bei den meisten großen Ketten jedoch spärlich. Ein Netz für ein flächendeckendes Online-Lebensmittel Angebot aufzubauen, würde sich aber vor allem während der aktuellen Situation rentieren. Dabei könnte auch die Kooperation mit anderen Anbietern helfen, um etwa Produkte aus anderen Sparten mit auszuliefern. Lokale Kooperationen könnten so gerade – aber längst nicht nur – in strukturschwachen Gebieten helfen, die Schwelle zur Rentabilität zu erreichen. 

Warum lohnt es sich für Unternehmen trotzdem in den Online-Lebensmittelhandel zu investieren?

Trotz der Hindernisse zeigen die Entwicklungen der vergangenen Jahre enorme Steigerungsraten für die Nachfrage von Online-Lebensmitteln, die durch die Corona bedingten Maßnahmen und die veränderten Bedürfnissen nach Sicherheit und Komfort weiter befeuert wurde. Dies wird entweder dazu führen, dass sich der Markt zwischen den „Online-only“-Unternehmen und den Präsenzmärkten spaltet oder dazu, dass sich einige Alleskönner ausbilden, die den kompletten Markt offline und online dominieren.

Für Unternehmen und Investoren ist spätestens jetzt der richtige Zeitpunkt, ihren Online-Handel auszubauen, ihre eigene E-Food-Strategie weiterzuentwickeln und in den Markt einzusteigen.  

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