Welche Erfolgskennzahlen gelten, wenn stets die Kund:innen im Mittelpunkt stehen? Anhand welcher Erfolgskriterien können Sie Ihr Unternehmen bewerten, wenn Vertriebsquoten allein nicht mehr aussagekräftig sind?
Die Kund:innen im Mittelpunkt: Das versteht sich von selbst. Aber im vergangenen Jahr ist die Binsenweisheit zum Mantra geworden, und Unternehmen allerorten entdecken, was es bedeutet, die Kund:innen wirklich in den Mittelpunkt zu stellen. Eine wichtige Folge dieser Umstellung? Die Vertriebsquote als einzige ausschlaggebende Leistungskennzahl könnte sich überlebt haben.
„Das Vertriebsumfeld sieht heute ganz anders aus“, sagt Tyler Smith, Pricing and Sales Analytics Manager, Lupin Pharmaceuticals. „Wir möchten unsere Kund:innen jetzt ganz gezielt ansprechen und sicherstellen, dass wir ihre Anforderungen erfüllen konnten.“
Aber lässt sich die konsequente Kundenorientierung mit dem Quotendenken vereinbaren?
Immer mehr Unternehmen haben erkannt, dass Vertriebsquoten zu kurzfristigen Denkweisen führen, die Moral beeinträchtigen und sogar den Gewinn schmälern können. Das geht aus einer Stanford-Untersuchung hervor. Als ein Fortune 500-Unternehmen die Vertriebsquoten abschaffte, stieg der Umsatz in einem Monat um 1 Mio. US-Dollar.
Vielleicht priorisieren die Vertriebsmitarbeiter:innen der Zukunft nicht das Erfüllen ihrer Vorgaben, sondern die Gestaltung der Customer Experience. Dieser Ansatz erfordert neue Erfolgskriterien anstelle der alten Leaderboards.
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Was sind Vertriebsquoten?
Vertriebsquoten sind klar definierte Zielwerte, die Vertriebsmitarbeiter:innen innerhalb bestimmter Zeiträume erreichen müssen. Vertriebsmitarbeiter:innen betrachten die Vertriebsquote als termingebundenes Ziel. Vertriebsleiter:innen nutzen die Vertriebsquote zur Leistungsmessung.
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Steht das Ende der Vertriebsquoten bevor?
Die Frage lautet nicht mehr „Wie erreiche ich meine Zielvorgaben?“, sondern „Wie kann ich meinen Interessent:innen helfen, ihre Zielvorgaben zu erreichen?“ Laut dem neuesten „State of Sales“-Bericht geben 86 Prozent der Vertriebsmitarbeiter:innen an, dass der Aufbau langfristiger Beziehungen aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds zur Priorität geworden ist. Die Betonung liegt dabei auf „langfristig“: Es geht um eine Beziehung, die weit über die Vertragsunterzeichnung hinausreicht. Verkäufer:innen möchten den Käufer:innen als Menschen näherkommen und ihnen einen erstklassigen Service bieten. Schöne Worte statt überzeugender Taten sind passé.
„Was wäre, wenn wir uns weniger auf die Quoten für das nächste Quartal und mehr auf bessere Ergebnisse und mehr Wertschöpfung für die Kund:innen konzentrieren würden? Stellen Sie es sich einfach einmal vor: In fünf Jahren messen wir die leistungsstärksten Mitarbeiter:innen nicht mehr an der Quotenerfüllung, sondern an ergebnis- oder akzeptanzbasierten Anreizmodellen“, so Karen Semone, Senior Director of Innovation bei Salesforce.
Manche Vertriebsmitarbeiter:innen sind heute so erpicht darauf, die Zielvorgaben zu erreichen und nicht in den unteren 10 Prozent des Teams zu landen, dass sie die Kundenerfahrung aus den Augen verlieren. Damit ist dem Unternehmen letztendlich nicht gedient. Selbst wenn die Vertriebsziele erreicht werden, leiden die Kundenbindung und die Verlängerungsraten. Gleichzeitig steigt das Risiko von Burnout und Fluktuation der Mitarbeiter:innen.
„Soft Skills gewinnen eindeutig an Bedeutung; die Kunst des Verkaufens lebt wieder auf,“ sagt Harry Datwani, der als Principal bei Deloitte Digital die digitale Transformation bei Abteilungen mit Kundenkontakt leitet. „Wie bildet man einfühlsame Vertriebsmitarbeiter:innen aus, die wissen, wie man im komplexen B2B-Umfeld ein gutes Verhältnis zu Kund:innen aufbaut?“
Manche Vertriebsleiter:innen verfolgen einen radikalen Ansatz: Sie wollen die Vertriebsquoten komplett abschaffen. Eine Reform des Vertriebsquotensystems lehnen sie ab, weil es die Mitarbeiter:innen ihrer Meinung nach unnötig unter Druck setzt.
„Wenn Vertriebsmitarbeiter:innen angehalten sind, um jeden Preis die monatlichen Quoten zu erreichen, sind sie zu widersinnigen Vorgehensweisen gezwungen. Wenn ich bei einem großen Unternehmen VP für den Vertrieb wäre, würde ich die monatlichen Quoten so schnell wie möglich abschaffen“, erklärt John Barrows, CEO bei JB Sales, einem Anbieter von Vertriebsschulungen.
„Das wäre viel besser. Wenn jemand im Vergleich zum Team weniger erfolgreich arbeitet, helfen wir mit Coaching, anstatt sofort mit der Kündigung zu drohen, wenn Mitarbeiter:innen nicht jeden Monat die Zielvorgaben erfüllen“, so Barrows.
Welche besseren Methoden zum Messen von Erfolg gibt es? Kundenkennzahlen!
Was bleibt, wenn wir die Vertriebsquoten ausschließen? Deutlich mehr als zuvor. Hier einige Kennzahlen, die weitaus mehr über die Performance im Vertrieb aussagen als die Anzahl der abgeschlossenen Geschäfte:
- Verlängerungs-/Bindungsraten: Kommen Kunden gerne wieder zurück oder nimmt die Kundentreue schnell ab?
- Interaktionsraten: Konkrete Interaktionen können eine wichtige Kennzahl für den Aufbau langfristiger Beziehungen sein. Während der Pandemie sorgte Salesforce mit dem „5 Millionen Zooms“-Dashboard für regelmäßige Interaktionen mit allen Kund:innen.
- Akzeptanzraten: Wie viel Zeit verbringen Kund:innen mit Ihrem Produkt?
- Customer Lifetime Value: Erfassen Sie den potenziellen Gesamtwert einer fortdauernden Kundenbeziehung? Oder achten Sie nur auf den Gewinn im laufenden Quartal?
- Kundenzufriedenheitsraten: Käufer:innen haben hinsichtlich möglicher Anbieter die freie Auswahl. Sie müssen sich daher fragen, ob Ihre Kund:innen Ihr Produkt und Ihr Unternehmen mögen.
McAfee, ein Unternehmen für Cybersicherheit, nutzt den Anstieg der Vertragsverlängerungen als Kennzahl. Eine „Verlängerungs-Engine“ wertet Kundendaten aus, um potenziell gefährdete Verlängerungen hervorzuheben.
„Wir möchten unseren Kundenstamm erhalten, also müssen wir uns die Verlängerungen sichern“, erklärt Jason Tompkins, Director of Commercial Sales Operations bei McAfee. „Dazu brauchen wir eine 360-Grad-Sicht auf unsere Kund:innen.“
Wenn ergebnisbasierte Kennzahlen gemessen werden, spielen die Vertriebsmitarbeiter:innen eine ganz neue Rolle. 79 Prozent der Vertriebsmitarbeiter:innen geben an, dass sie sich während der Pandemie schnell an die neuen Vertriebsbedingungen anpassen mussten, und 58 Prozent erwarten eine dauerhafte Veränderung ihrer Rolle. So geht es aus dem „State of Sales“-Bericht hervor.
Die erfolgreichsten Vertriebsmitarbeiter:innen meistern diese Umstellung, indem sie den Vertriebsprozess für die jeweiligen Kund:innen personalisieren. Kundenanforderungen sind von Fall zu Fall unterschiedlich, daher sprechen Kund:innen nicht auf allgemein gehaltene Angebote an. Anstatt mit Kund:innen zu duellieren, müssen Vertriebsmitarbeiter:innen sich zu zuverlässigen Berater:innen entwickeln, die wertvolle Einblicke, Forschungsergebnisse und Empfehlungen einbringen und somit einen messbaren Beitrag zum Kundenerfolg leisten.
Dies erfordert nicht nur eine transparente Vorgehensweise zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses, sondern auch die Vermittlung von Strategie. Ihre Kund:innen erwarten heutzutage keine Einladungen zum Geschäftsessen oder zu Veranstaltungen mehr, aber sie verlangen auch weiterhin eine persönliche Betreuung.
„Kund:innen sind nicht an den Funktionen oder Vorteilen der Produkte oder Lösungen interessiert“, so Simon Mulcahy, Chief Innovation Officer bei Salesforce. „Sie wünschen Ergebnisse. Sie wollen ihre Arbeit erledigen.“
Erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter:innen analysieren die Problemstellungen der Käufer:innen, um zu ermitteln, mit welchen spezifischen Erkenntnissen sie ihren Zielsetzungen näher kommen. Damit beweisen sie, dass sie die spezifischen Umstände der Kund:innen verstanden und eine passende Strategie entwickelt haben. Anstatt überall Ihr standardmäßiges Verkaufsgespräch abzuspulen, müssen Sie genau zuhören und Ihre Vorgehensweise anpassen. Durch gezielte Fragen, relevante Beispiele und konkrete nächste Schritte beweisen Sie, dass Sie sich ganz auf Ihre Gesprächspartner eingestellt haben.
Der Abschluss eines Geschäfts ist dann das natürliche Ergebnis Ihrer Investition in die Kundenbeziehung.
Mulcahy glaubt dennoch nicht, dass die Quoten jemals ganz verschwinden werden. Er erwartet eine Verlagerung auf Kundenkennzahlen und Quoten, erwartet jedoch nicht, dass Kundenkennzahlen die Quoten ersetzen.
„Statt einer vorrangigen Kennzahl wird es in Zukunft mehrere gleichrangige geben – eine Kombination, Interaktionsmetriken, Kundenzufriedenheit und Wertschöpfung. Die Ergebnisse für den Kunden werden den Quoten die Waage halten.“
Mulcahy ergänzt: „Bislang dominiert eine Kennzahl das Verhalten der Vertriebsmitarbeiter: die Quotenerfüllung. Bereits jetzt zeichnet sich jedoch ab, dass Vertriebsmitarbeiter:innen sich in Zukunft ein umfassenderes Bild von ihren Kund:innen machen müssen, um die Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.“
Wie bauen wir das Quotendenken ab?
Wie lernen wir, uns nicht allein auf die Quoten zu konzentrieren und mehr Zeit in den Aufbau der Kundenbeziehungen zu investieren? Das Geschäftsessen war einst ein bewährter Ansatz. Außerhalb des Konferenzraums ist es leichter, persönliche Beziehungen aufzubauen. Aber seit der Pandemie scheint sich diese Vorgehensweise überlebt zu haben.
„Es ist schade, aber ich glaube nicht, dass Restaurants und Golfplätze jemals wieder eine vergleichbare Rolle für Geschäftsgespräche spielen werden“, so Datwani von Deloitte Digital. „Der zwischenmenschliche Kontakt bleibt wichtig, aber er wird sich auf andere Weise äußern.“
Vertriebsleiter:innen müssen ihren Teams die Zeit geben, kundenorientiert zu arbeiten anstatt nur die Zielvorgaben zu verfolgen. Die „State of Sales“-Untersuchung ergab, dass Vertriebsmitarbeiter:innen zwei Drittel des Arbeitstags mit anderen Tätigkeiten als dem Verkaufen verbringen. Interne Prozesse und Verwaltungsaufgaben nehmen so viel Zeit der Vertriebsmitarbeiter:innen in Anspruch, dass sie sich nicht auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentrieren können: das Lösen von Kundenproblemen. Unternehmen gehen neue Wege, um Vertriebsmitarbeiter:innen mehr Zeit für Kund:innen zu geben.
Equifax richtete dazu den völlig neuen Geschäftsbereich „Customer Success“ ein. Dieses Team übernimmt, sobald ein Geschäftsabschluss erzielt wurde, und begleitet die Käufer durch den Einführungsprozess. Durch die konsequente Fortführung der Strategie während der Betreuung nach dem Kauf sorgt das Team dafür, dass das Vertrauen der Käufer:innen in das Produkt erhalten bleibt und sie sich umfassend unterstützt fühlen. In der Gewissheit, dass die Kund:innen in guten Händen sind, können die Vertriebsmitarbeiter:innen sich dem nächsten Geschäft widmen.
Equifax optimiert auch die internen Prozesse, damit Vertriebsmitarbeiter:innen nicht durch umständliche Workflows beeinträchtigt werden. Dazu muss sich alles im CRM abspielen.
„Wir möchten Salesforce zum einzigen Desktop für den Vertrieb machen. Damit niemand zu anderen Plattformen wechseln muss, stellen wir alles, auch die Schulungen, in Salesforce bereit“, erklärt Tressa Mild, Senior Vice President und Chief Customer Experience Architect bei Equifax.
Hard Skills und Soft Skills: Der Vertrieb braucht beides
Vertriebsmitarbeiter:innen sind laufend mit neuen Szenarien konfrontiert. Vertriebsteams müssen aufgeschlossen für Experimente und neue Erfolgsmaßstäbe sein. Durch ein ausgewogenes Modell unterschiedlicher Performancekennzahlen entwickeln Vertriebsmitarbeiter:innen eine optimale Kombination aus Hard Skills und Soft Skills: Flexibilität, Strategie und Expertise ebenso wie Empathie, Wissensdurst und Kommunikation.
Die Veränderungen im vergangenen Jahr belegen erneut, dass die Kundenbeziehung einen höheren Stellenwert als der Geschäftsabschluss erhalten muss. Dazu müssen wir Abschied vom Quoten- und Quartalsdenken nehmen und unsere Motivation hinterfragen. Mit diesem Ansatz werden Unternehmen auch zukünftig erfolgreich arbeiten.
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