Miteinander zur Nummer Eins werden
Nicht mehr und nicht weniger als die globale Marktführerschaft strebt Julian Teicke mit wefox an – der Weg zum Ziel führt dabei über einen neuartigen Ansatz des Miteinanders zwischen traditioneller Versicherungswirtschaft, digitalen Plattformen und menschlichen Kompetenzen.
Wer im Frühjahr 2019 den Wirtschaftsteil einer beliebigen Tageszeitung aufgeschlagen hat, kam an folgender Headline kaum vorbei: Fintech-Start-up wefox sammelt Rekordsumme von 110 Millionen Euro bei Investoren ein. Die Zeichen stehen also auf Wachstum für Gründer und CEO Julian Teicke, der sehr ambitionierte Ziele formuliert: In 20 Jahren möchte er wefox zum weltweit größten Player der Versicherungswirtschaft machen.
Konventionelle Maßstäbe lassen sich bei der Bewertung dieser Vision jedoch nicht anlegen, denn er stellt klar: „Das werden wir nicht durch den Aufbau der höchsten Kapitalsummen oder größten Vertriebsmaschine erreichen. Sondern indem wir den gesamten Markt komplett umwandeln.“ Wefox nimmt dabei die Funktion eines zentralen Hubs ein, der die Versicherungsgesellschaften mit Maklern, Kunden und digitalen Plattformen jeglicher Couleur vernetzt. „Es gibt nicht viele Unternehmen, die so wie wir dafür positioniert sind, der weltweite Treiber für den Wandel der Branche zu sein“, erklärt Julian Teicke. Dabei hat er alle Plattformen als Partner im Blick, mit denen Menschen in Interaktion stehen; also auch solche, die bislang keine Versicherungsprodukte anbieten.
Dass Teicke sich gerade der vermeintlich trockenen Versicherungsmaterie seit dem Start nun schon im fünften Jahr mit so viel Leidenschaft verschreibt, wirkt auf den ersten Blick überraschend. Denn das Unternehmen mit dem ursprünglichen Namen FinanceFox war nicht die erste erfolgreiche Idee des Start-up-Veterans, zu dessen früheren Projekten unter anderem die Gutschein-Plattform DeinDeal zählt.
Warum die Versicherungsbranche solch nachhaltige Faszination auf ihn ausübt? „Versicherungen sind einer der größten menschlichen Nachfragebereiche überhaupt, der im kommenden Jahrzehnt global auf über sieben Billionen Euro geschätzt wird.“ Fast noch stärker wiegt für ihn jedoch seine persönliche Vision: „Wir möchten den Kern von Versicherungen, nämlich dass Menschen sich sicher fühlen, nicht nur in den Fokus rücken. Vielmehr wollen wir deren Sinn weiterentwickeln: von einem Gefühl der Sicherheit hin zu tatsächlicher Sicherheit.“ Einen höchst relevanten Anteil daran hat Technologie: Auf der digitalen wefox Plattform werden Versicherungsprodukte mithilfe von Daten aus IoT-Geräten in Echtzeit an das tatsächliche, individuelle Risiko eines Menschen angepasst. „Das ist ein Ziel, das mich sehr motiviert. Die Möglichkeiten sind fast unendlich“, stellt der Gründer fest. Als Partner und Investor begleitet auch Salesforce bereits seit Längerem den Weg von Julian Teicke.
Dafür gilt es, die verschiedensten Akteure zusammenzubringen. Ihre Anliegen und Ziele zu synchronisieren und zu verdeutlichen, dass der gemeinsame Ansatz derjenige sein wird, der für alle den größten Mehrwert schafft. „Obwohl es inzwischen globale Marken gibt, ist der Versicherungsmarkt ein sehr fragmentierter, lokal geprägter“, beschreibt Teicke. „Versicherungsgesellschaften haben im Zeitalter der Digitalisierung einige Herausforderungen zu bewältigen, nicht zuletzt mit ihrer Legacy-IT.“ Den oftmals durch Aufkäufe und Fusionen entstandenen Konzernen fehlt größtenteils der Überblick über ihre Kunden und Verträge, Altlasten der oft über Jahrzehnte laufenden Policen erschweren die Sicht noch weiter. „Manche Gesellschaften können nicht einmal feststellen, wie viele Policen ein bestimmter Kunde mit ihrem Haus abgeschlossen hat“, verrät er.
Bei CEOs finden Teickes sehr disruptiv anmutende Pläne deshalb ein offenes Ohr. „Sie fragen sich, welche Auswirkungen unsere Strategie auf ihr künftiges Business hat“, so Teicke. „Sie verstehen den Zugang zu weiteren Plattformen als neue Vertriebsgelegenheit, die sie intern niemals realisieren könnten, schon aufgrund kultureller Fragen.“ Gleichzeitig hat die Rolle des menschlichen Beraters weiterhin enorme Bedeutung, also auch der Makler. „Viele Produkte sind sehr komplex und langfristig. Und sie beziehen sich auf sehr sensible Bereiche des Lebens der Versicherten. Das lässt sich nicht automatisieren.“ Es geht also nicht primär um den Wettbewerb, bei dem das Neue etablierte Methoden vollständig verdrängt, sondern kommt auf ein Miteinander der traditionellen Versicherungswirtschaft, digitaler Plattformen und menschlicher Kompetenzen an.
Jedoch spielt für wefox neben neuen Bündnissen und Allianzen auch die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung eine zentrale Rolle für nachhaltigen Erfolg. Julian Teicke hat dazu eine klare Haltung: „Organisationen tragen die meiste Verantwortung ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber. Sie müssen ihnen ermöglichen, persönlich zu wachsen, um mit der steigenden Komplexität ihrer Umwelt umgehen zu können. Ihr eigenes Potenzial zu nutzen, um von Technologie zu ihrem Vorteil profitieren zu können. Über diesen Fokus auf das persönliche Wachstum der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsteht ganz von selbst ein nachhaltiger Stakeholder-Ansatz. Denn dadurch rücken die richtigen Werte ins Zentrum des Handelns, nämlich im Sinne der Kunden, der Partner sowie der Gesellschaft und Umwelt zu handeln.“
Dabei hat Julian Teicke die Zukunft fest im Blick. „Mein Vater, der aus der Versicherungsbranche kommt und mit dem ich das Unternehmen gemeinsam gegründet habe, ist immer noch beratend tätig. Aber was mir persönlich fast noch wichtiger ist, ist der Austausch mit der nachkommenden Generation“, sagt er. „Die heutigen Teenager haben ein sehr viel tieferes Verständnis vom Jetzt und ein größeres Wissen davon, was künftig relevant sein wird.“ Seiner Meinung nach müsse jüngeren Menschen noch sehr viel mehr zugetraut, ja sogar noch mehr Verantwortung übertragen werden. Dafür engagiert er sich auch mit seiner Gründerakademie, in der er die folgende Generation darauf vorbereitet, nachhaltige Unternehmen zu gründen. „Die Geschwindigkeit der Veränderung nimmt immer weiter zu. Der Input der Jugend wird dabei immer wichtiger für den umfassenden Wandel, den wir brauchen.”
Fotografie: Christian Krinninger Photography